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Dienstag, 30. September 2014

Erbschaftsteuer: Perspektiven für eine progressive Reform

Die Erbschaftsteuer ist ein wenig beachtetes politisches Steuerungsinstrument. Ihre Bedeutung für das Gesamtsteueraufkommen in Deutschland ist mit ca. 4-5 Milliarden € jährlich gering. Trotz dieser niedrigen Belastungen von Erben in Deutschland wird jeder Forderung um eine Erhöhung der Erbschaftsteuer oder eine Verbreiterung ihrer Bemessungsgrundlage sehr emotional begegnet. Das ist nicht unverständlich, stellt der Tot eines geliebten Menschen schon ohne Erbschaftssteuer eine große psychische Belastung da. Der Gedanke, die Erinnerung an die Verstorbenen (etwa in Form eines Familieneigenheims oder traditioneller Schmuckstücke) versteuern zu müssen und dadurch vielleicht zu verlieren, ist für viele bereits in der Zeit vor dem Ernstfall nicht zu ertragen. Auch wenn diese Angst in Anbetracht der diskutierten Freibeträge jeder sachlichen Grundlage entbehrt, muss sie in der Debatte ernst genommen werden. Ich hoffe, mit diesem Beitrag die Diskussion in der Öffentlichkeit und Parteiintern ein Stück in eine sachlichere Richtung zu lenken.

Wieso Erbschaftssteuern?

Wieso halte ich die Erbschaftssteuer (genauer „Erbschaft- und Schenkungssteuer“) trotz ihrer geringen fiskalischen Effekte für einen wichtigen Aspekt von Steuergerechtigkeit? Die Antwort ist simpel: weil sie die einzige Steuer ist, die sowohl mit linken als auch liberalen Argumenten begründet werden kann und damit ein großes Akzeptanzpotenzial bietet. Aus linker Sicht ist die Umverteilung von Vermögen ein wichtiger Beitrag zu Gerechtigkeit und Gemeinwohl. Diese Feststellung ist trivial und muss hier nicht weiter ausgeführt werden [1].
Realpolitisch interessanter ist die liberale Argumentationsmöglichkeit für die Steuer. Denn wer ernsthaft behauptet, ihm*ihr liege die „Leistungsgerechtigkeit“ (im liberalen Duktus natürlich rein auf Erwerbsarbeitsleistung fixiert) am Herzen, wird Erbschaften und Schenkungen als leistungsloses Einkommen ablehnen. Sie haben nichts mit der liberalen kapitalistischen Ordnung zu tun, sondern sind ein Überbleibsel aus der feudalen Gesellschaft, in der Reichtum noch stärker als heute durch Herkunft bestimmt war. Auch heute gilt für die Erbschaft: wer hat, dem*der wird gegeben. So konstatiert das deutsche Institut für Altersvorsorge in der 2011 erschienenen Studie „Erben in Deutschland“, dass „die Höhe der Erbschaft mit dem Einkommen [steigt].“ [2]. Neben der marktliberalen „Leistungsgerechtigkeit“ kann also auch die linksliberale „Chancengerechtigkeit“ nicht für die Legitimation von Erbschaften dienen. Was liegt näher, als die ohnehin notwendige Finanzierung des Staates in stärkerem Maße durch eine Steuer auf Erbschaften und Schenkungen sicherzustellen?

Warum ist das Thema aktuell?

Die Erbschaftssteuerdiskussion kocht momentan durch mehrere Ereignisse erneut hoch. Das relevanteste davon ist sicherlich das erwartete Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches die enormen Vergünstigungen von 85 bzw. 100% auf Betriebsvermögen für verfassungswidrig erklären dürfte. Außerdem hat die Grüne Bundestagsfraktion jüngst eine Studie über mögliche Umgestaltungen der Erbschaftssteuer erstellen lassen, um die im Bundestagswahlkampf geforderte Verdopplung des Erbschaftssteueraufkommens mit einem handfesten Konzept zu hinterlegen. Da ich die DIW-Studie in diesem Post häufig zitiere, beziehen sich alle im Text folgenden Seitenangaben auf sie.
Das Ergebnis der Studie hat Kathrin-Göring Eckhardt – zur Überraschung vieler Grüner Finanzpolitiker*innen – dazu veranlasst, die geforderte Erhöhung in einem Interview mit dem Handelsblatt als unmachbar zu stilisieren. Ich gehe in diesem Post nicht auf die berechtigte Kritik an der unterschätzten Steuerbasis der DIW-Studie ein (siehe zum Beispiel http://www.nachdenkseiten.de/wp-print.php?p=22310 ). Stattdessen argumentiere ich, dass auch auf Grundlage der DIW-Daten ein zufriedenstellendes und realpolitisch durchsetzbares Erbschaftsteuerkonzept entwickelt werden kann. Dazu stelle ich zunächst theoretische Überlegungen zu wünschenswerten Erbschaftsteuerkonzepten auf, betrachte relevante Gütekriterien und wende sie im Anschluss exemplarisch auf Beispielkonzepte aus der DIW-Studie an.

Bausteine eines Erbschaftssteuerkonzepts

Freibeträge

Die Wahl der Freibeträge ist für das Erbschaftsteuerkonzept entscheidend. Dabei lassen sich die Verwandtschaftsabhängigkeit, die Höhe der persönlichen Freibeträge und der Unternehmensfreibeträge unabhängig voneinander bewerten und abwägen.
Im heutigen Erbschaftsteuerrecht werden Freibeträge abhängig vom Verwandtschaftsverhältnis zwischen Erb*innen und Erblasser*innen in unterschiedlicher Höhe gewährt. Diese Regelung ist aus mehreren Gründen problematisch. Auf der normativen Ebene widerspricht die einseitige Bevorzugung von engen Verwandten dem liberalen Staat. Die Entscheidung, wer welchen Teil eines Vermögens erbt, sollte von den Erblasser*innen selbst bestimmt und nicht durch das Steuersystem beeinflusst werden (zwar ist eine Steuerung politisch gewünschter Ereignisse durch Steuern durchaus sinnvoll. Im konkreten Fall ist dies jedoch eine nicht verhältnismäßige Privilegierung traditioneller Familienstrukturen. Ein Pflichtanteil am Erbe für nahe Angehörige reicht völlig aus, um ihre Existenz dauerhaft zu sichern). Auch aus ökonomischer Sicht ist die Anreizwirkung der Statusabhängigen Freibeträge zu kritisieren. Unternehmer*innen könnten bei ihrer Nachfolgeentscheidung ihre engen Verwandten bevorzugen, um von den Freibeträgen zu profitieren. Ob diese jedoch die richtigen für die daraus entstehende Verantwortung sind, muss bezweifelt werden [3]. Das Problem der Fehlallokation ist ein generelles Problem der Erbanfallsteuer, die auf mehrere Personen verteilte Erbschaften begünstigt. Leider wurde die aus dem angelsächsischen Raum bekannte Nachlasssteuer, die dieses Problem durch einen auf das Erbe angewandten Freibetrag lösen kann, nicht im DIW-Gutachten untersucht, sodass die später vorgestellten Ansätze diesen vielversprechenden Ansatz außen vor lassen. Realpolitisch könnte eine Entkopplung von Verwandtschaftsgrad und Freibeträgen zu Widerstand führen, da die Steuerstruktur signifikant verändert wird. Da Menschen jedoch in unterschiedlichen Erbfällen in verschiedenen Rollen auftreten, ist dieser Effekt zunächst reine Spekulation und vermutlich begrenzt.
Die Höhe der Freibeträge ist eine schwer abzuwägende Fragestellung bei der Konzeption eines Erbschaftsteuerrechts. Höhere Freibeträge dürften im Allgemeinen die Erhebungskosten der Steuern absolut reduzieren, da weniger Vermögenswerte erhoben und bewertet werden müssen. Ob dieser Effekt durch eine häufigere Bewertung nicht steuerpflichtiger Vermögenswerte zur Reduktion von Unsicherheit wett gemacht wird, kann ich anhand der mir vorliegenden Studien zur Steuer nicht beurteilen. Fest steht, dass höhere Freibeträge sowohl kleine als auch große Erbschaften entlasten, aber auch geringere Einnahmen in Aussicht stellen. Bei Freibeträgen auf Betriebsvermögen muss des Weiteren bedacht werden, dass kleinere Unternehmen in der Regel schwieriger zu veräußern sein sollten als große Unternehmen. Deshalb sollten sie von der Steuer ausgenommen werden. Insgesamt sind sowohl bei den persönlichen Freibeträgen (welche im Übrigen nicht mehr nach 10 Jahren erneuert [4] werden sollten, um Steuervermeidung einzudämmen) als auch bei Freibeträgen auf Betriebsvermögen moderate Freibeträge sinnvoll, um eine angemessene Berücksichtigung der verschiedenen Argumentationslinien zu gewährleisten.

Begrenzung Unternehmenssteuerlast

Viele Vorschläge des DIW-Gutachtens verwenden Höchstgrenzen, bis zu denen Betriebsvermögenssteuersätze ansteigen können. Da die Angst vor Insolvenzen aus Substanzbesteuerung ungeachtet jeglicher empirischer Evidenz [5] die öffentliche Debatte bestimmt, werden diese realpolitisch wohl nicht zu vermeiden sein. Ich plädiere für eine möglichst hohe Grenze, um eine relevante Besteuerung von Betriebsvermögen und eine angemessene Progression zu ermöglichen. Ebenfalls bedenkenswert wären Varianten, in denen ein Teil der Steuerschuld dadurch vermindert wird, dass entsprechende Anteile am Unternehmen an die Mitarbeiter*innen abgegeben werden. So können Liquiditätsprobleme vermieden werden und nebenbei wird das gesamtgesellschaftliche Produktivvermögen wirksam umverteilt und unter Umständen demokratisiert. Inwiefern derartige Übergaben über Zwangskapitalisierungen oder Anteilsverkäufe abgewickelt werden und welche demokratischen Rechte der Belegschaft daraus erwachsen (hier wären sowohl genossenschaftliche als auch am Kapital bemessene Organisationsmodelle denkbar), muss noch eingehender diskutiert werden und würde den Umfang dieses Posts sprengen.

Steuersätze

Steuersätze können nur komplementär zu Freibeträgen diskutiert werden. Schließlich benötigen hohe Freibeträge auch hohe Steuersätze, wenn das Einnahmeziel erreicht werden soll. Analog ermöglicht eine breite Bemessungsgrundlage niedrigere Steuersätze. Die von mir aus Umverteilungsgründen als wünschenswert erachtete Progression lässt sich ebenfalls entweder de facto durch hohe Freibeträge oder direkt durch progressive Steuersätze sicherstellen. Hier wird politisch zu bewerten sein, inwiefern ein einfacher, flacher Steuersatz die entgangene Progressionswirkung und damit die höhere Belastung niedriger Erbschaften aufwiegt. Da diese Frage vor allem eine der politischen Strategie ist und mir keine Studien zur subjektiven Bewertung von einfachen im Vergleich zu komplexen Steuersystemen vorliegen, werde ich ihr hier keine weitere Beachtung schenken.

Kriterien für ein gutes Erbschaftssteuerkonzept

Im Folgenden beschreibe ich kurz, welche Kriterien auf die einzelnen Vorschläge des DIW angewandt werden können, um diese zu beschreiben und zu bewerten. Alle Kriterien lassen sich aus der DIW-Studie direkt ablesen. Auf wenig quantifizierbare Kriterien wie „Einfachheit“ werde ich in meiner Analyse verzichten, obgleich sie für die endgültige Entscheidung zugunsten eines Konzepts wichtig werden können.

Erwartete Einnahmen

Bei einer Steuer sind die erwarteten Einnahmen entscheidend. Steuerkonzepte mit hohen Einnahmen bieten nicht nur stärkere finanzielle Entlastungen für den Staat, sondern werten auch die Steuerungswirkung der von mir als wichtig erachteten Erbschaftssteuer aus. Da wir Grünen zur Bundestagswahl die Forderung der Aufkommensverdopplung propagiert haben, werde ich in meine exemplarischen Betrachtungen nur Konzepte einbeziehen, welche dieses Ziel erreichen. Grundsätzlich gilt: je höher die erwarteten Einnahmen, desto besser.

Anzahl Steuerpflichtige

Das DIW weist in seiner Studie auch die Anzahl der erwarteten Steuerpflichtigen je Konzept aus. Als Kennzahl ist sie jedoch zweischneidig. Auf der einen Seite bedeutet eine niedrige Anzahl an Steuerpflichtigen meistens, dass sich die Steuererhebung auf große Erbschaften beschränkt. Dann kann durch geringeren Verwaltungsaufwand ein großer Umverteilungseffekt erreicht werden. Des Weiteren sind weniger Menschen dazu geneigt, gegen die geplante Erbschaftssteuererhöhung vorzugehen, wenn sie nicht selbst betroffen sind. Auf der anderen Seite müssen die Besteuerten in einem System mit wenigen Steuerpflichtigen pro Kopf mehr bezahlen und haben einen zusätzlichen Grund für Widerstand. Da Personen, die große Erbschaften erwarten, meist ohnehin größere ökonomische Ressourcen haben, wirkt ihre Stimme durch Multiplikatoreffekte ungleich höher als die von Normalsteuerzahler*innen. Wie groß das Mobilisierungspotenzial der besteuerten Minderheit ist, kann jedoch nicht seriös abgeschätzt werden. Alles in Allem denke ich, dass die Anzahl der Steuerpflichtigen auf jeden Fall nicht deutlich erhöht werden sollte. Dies würde lediglich dem Argument „die Grünen wollen dem Mittelstand schaden“ Vorschub leisten und somit für die Reform kontraproduktiv sein.

Änderung der Zahlungsstruktur

Hierunter zähle ich nicht nur Veränderungen bezüglich der unterschiedlichen Besteuerung verschiedener Verwandtschaftsgrade, sondern auch eine Verschiebung der Einnahmen hin zu einer höheren Belastung der Betriebsvermögen. Erstere sollten von uns klar vorangebracht werden, um den oben beschriebenen Ungerechtigkeiten in diesem Bereich zu beseitigen. Allerdings sollte dabei beachtet werden, dass starke Verschiebungen starke Widerstände hervorrufen können und somit moderaten Veränderungen der Vorzug eingeräumt werden sollte. Zweitere sind in jedem Fall positiv zu bewerten, da Betriebsvermögen momentan viel zu gering besteuert sind. Dabei müssen wir darauf achten, insbesondere kleine Unternehmen nicht zu stark zu besteuern, sondern die Last durch große, leicht veräußerbare Unternehmen erbringen zu lassen. Eine Progression ist wünschenswert.

Erhebungskosten

Wie bei der Höhe der erwarteten Einnahmen erschließt sich bei den Erhebungskosten sofort, welche Werte als positiv anzusehen sind. Da Bürger*innen verständlicherweise möglichst viele sinnvolle öffentliche Projekte durch ihre Steuern verwirklicht sehen wollen, ist die Minimierung von Verwaltungskosten beim Staat wichtig. Auch die Kosten, welche die Besteuerten selbst tragen müssen, sollten so klein wie möglich gehalten werden. Fast alle vom DIW diskutierten Modelle würden Erhebungskosten reduzieren, weswegen sie ein Fortschritt zum status quo wären. Auch wenn es Unterschiede zwischen den einzelnen Vorschlägen bezüglich ihrer Kosten gibt, sollte dieser Punkt nicht überbewertet werden. Wenn etwa eine komplexe Progression dazu führt, dass die Steuer an sich gerechter wird, kann dies höhere Erhebungskosten durchaus rechtfertigen.

Vorschläge für ein neues Erbschaftsteuerrecht

Nach den theoretischen Vorüberlegungen komme ich nun zur Analyse des aktuellen Systems sowie 5 ausgewählter Modelle aus der DIW-Studie. Ich habe für die Analyse Modelle gewählt, die mir für eine weitere Programmdebatte diskussionswürdig erschienen oder die gute Aspekte enthalten.

Der Status Quo

Die momentane Erbschaftsteuer wird auf den Seiten 9-14 der DIW-Studie kurz beschrieben. Sie schafft nach der Studie ein Aufkommen von 4,1 Mrd.€, wird von 112.000 Steuerzahlenden aufgebracht und kostet ganze 4,5% an Verwaltungskosten in Bezug auf das Aufkommen (alle Daten aus s. 69-70). Strukturell lässt sich feststellen, dass Ehegatten/Lebenspartner*innen und Kinder nur in 4% der Erbanfälle belastet werden, während Erbschaften an Geschwister oder nicht bzw. entfernt Verwandte in mehr als jedem zweiten Fall zahlen müssen. Obwohl das Betriebsvermögen (im weiteren Sinne) 15% der Erbschaftserwerbe ausmacht, macht es nur 1% des Steueraufkommens aus. Auch Grundvermögen sind aufgrund der Regelungen zu selbstgenutzten oder vermieteten Wohnimmobilien (S.12) leicht privilegiert, während sonstige Vermögen überproportional in der Steuerlast berücksichtigt werden. Somit bestätigt die Analyse des Status Quo alle Kritikpunkte, welche häufig an diesen angebracht werden.

Modell 1: Einfaches Mittelmaß

Das erste vom DIW diskutierte Modell (S.71-73) gewährt einen hohen, aber noch moderaten persönlichen Freibetrag von 200.000€, einen moderaten flachen Steuersatz von 30%, keine Freibeträge für Betriebsvermögen, aber eine Begrenzung der Steuerlastquote für Unternehmen auf 15%. Betriebsvermögen werden mit einem Steueranteil von 17% überproportional herangezogen. Aufgrund der fehlenden Freibeträge, der flachen Steuersätze und der niedrigen Belastungsgrenze für Unternehmen besteht nur eine sehr begrenzte Progression. Das Aufkommen wird wie geplant verdoppelt (+96%), während sich die Anzahl der Steuerzahlenden (-48%) und die relativen Erhebungskosten (-68%) im Vergleich zu heute deutlich verringern. Besonders nahe Verwandte (Ehegatten/Lebenspartner*innen, Kinder, Enkel) werden durch das Modell stärker belastet, während entferntere Verwandte entlastet werden.
Modell 1 ist attraktiv, weil es wenige Menschen belastet, günstig in der Erhebung ist, aber trotzdem die gewünschte Einnahmesteigerung bringt. Negativ ist vor allem die fehlende Progression (insbesondere bei Betriebsvermögen).

Modell 4: Niedrige Flat-Tax

Im Modell 4 (S.80-83) wird ein niedriger persönlicher Freibetrag von 100.000€ gewährt, der Steuersatz liegt bei 25% und es gibt sowohl einen abschmelzenden Freibetrag von einer Million € für Betriebsvermögen, als auch eine Begrenzung der Steuerlastquote auf 20%. Das Betriebsvermögen wird somit proportional zum Erwerb (16% d. Steuern) herangezogen. Seine Besteuerung ist progressiver als im Modell 1 ausgestaltet. Das Aufkommen wird verdoppelt (+102%), während die Anzahl der Steuerzahlenden (-5%) ungefähr gleich bleibt und sich die Erhebungskosten (-55%) deutlich reduzieren. Die Verschiebungen bezüglich des Verwandheitsgrades ähneln denen in Modell 1.
Modell 4 ist attraktiv, weil es für Ottonormalerb*innen recht simpel zu verstehen ist und bei den Betriebsvermögen eine bessere Progression als Modell 1 sicherstellt. Negativ anzumerken ist die fehlende Progression bei nicht-Betriebsvermögen.

Modell 8: progressiv und betriebsschonend

Auch Modell 8 (S.92-94) enthält einen persönlichen Freibetrag von 100.000€. Im Gegensatz zum 4. Modell gibt es darin einen abschmelzenden Freibetrag von 2 Millionen € auf Betriebsvermögen und einen progressiven Steuertarif. Betriebsvermögen werden leicht unterproportional (12% d. Steuern) berücksichtigt, aber bis zur Maximalbelastung (15%) progressiv veranlagt. Das Steueraufkommen wird verdoppelt (+107%), während die Anzahl der Steuerzahlenden ungefähr gleich bleibt (-7%) und die Erhebungskosten deutlich sinken (-56%). Die Verschiebungen bezüglich des Verwandtheitsgrades ähneln denen der vorangegangenen Modelle.
Modell 8 ist attraktiv, weil es progressiv gestaltet ist und somit eine größere Umverteilungswirkung entfaltet. Leider wird dieser Vorteil durch eine niedrige maximale Steuerlastquote bei Betriebsvermögen konterkariert.

Modell 12: hohe Flat-Tax

Modell 12 (S.104-106) gewährt einen hohen persönlichen Freibetrag von 200.000€, einen niedrigen, abschmelzenden Freibetrag von 1 Million € für Betriebsvermögen (welches mit 14% d. Steuerlast proportional herangezogen wird) und eine Begrenzung der Steuerlastquote auf 20%. Der Steuersatz von 40% ist im Vergleich zu anderen Modellen hoch, weswegen auch die reduzierte Anzahl an Steuerzahlenden (-52%) eine im Vergleich zu den bisherigen Modellen höhere (+139%) Aufkommenserhöhung stemmen kann. Besonders positiv ist der stark reduzierte Erhebungsaufwand (-74%). Die Verschiebung der Belastung zuungunsten näherer Verwandter ist etwas deutlicher als in den vorigen Modellen.
Modell 12 zieht seine Attraktivität aus der hohen Aufkommenswirkung bei niedrigen Verwaltungskosten. Auch die Reduktion der Steuerpflichtigen ist positiv anzumerken. Negativ ist am Konzept primär, dass ein Steuersatz von 40% in der öffentlichen Debatte für scharfe Gegenkampagnen missbraucht werden kann und dass durch die Freibeträge nur eine begrenzte Progressionswirkung gewährleistet wird.

Modell 20: progressives Abzinsmodell

Modell 20 (S.128-130) bietet geringe persönliche Freibeträge von 100.000€ und einen progressiven Steuersatz. Bei Betriebsvermögen wird kein Freibetrag gewährt. Stattdessen ist im Rahmen eines Abzinsmodells die zinslose Stundung der Zahlungen der Betriebssteuerschuld über 10 Jahre erlaubt. Durch diese Regelung werden Betriebsvermögen stärker progressiv belastet als in anderen Modellen, ohne dass ein Liquiditätsproblem befürchtet werden muss. Das Steueraufkommen ist nominal das höchste der erwähnten Modelle (+168% zum status quo), allerdings kann es sich aufgrund der Stundungsregelung real insbesondere in Zeiten hoher Inflationsraten (die momentan jedoch nicht erwartbar sind) deutlich reduzieren. Die Zahl der Steuerzahlenden bleibt gleich (-1%), die Verwaltungskosten sinken deutlich (-66%). Strukturelle Verschiebungen bezüglich der Verwandtschaftsgrade ähneln denen aus Modell 12.
Modell 20 ist mein persönlicher Favorit. Es bietet eine starke Progression, die auch bei Betriebsvermögen wirkt, ohne dabei Liquiditätsprobleme zu erzeugen. Negativ anzumerken ist lediglich, dass das Abzinsmodell in der öffentlichen Debatte schwer zu erklären sein dürfte und seine Auswirkungen auf Liquiditätspräferenzen noch geklärt werden müssen.

Fazit

Eine Verdopplung des Erbschaftssteueraufkommens ist realpolitisch wie ökonomisch umsetzbar und in Anbetracht der steigenden Vermögensungleichheit in Deutschland dringend geboten. Wir Grüne haben nun verschiedenste Konzepte zur Auswahl, aus denen wir unser endgültiges Konzept erstellen können. Wenn wir dieses einfach, gerecht und progressiv ausgestalten, können wir das Thema politisch gut vorantreiben. Dabei sollte sich unser Vorschlag in Punkto der gerechten Einbeziehung von Betriebsvermögen und der Verwandschaftsunabhängigkeit von denen der politischen Konkurrenz abheben können und der Erbschaftssteuerdebatte neue Facetten hinzufügen.

Endnoten:
[1]: Für eine genauere Behandlung siehe: Richard Wilkinson and Kate Pickett, Gleichheit ist Glück: Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind. Berlin: Tolkemitt Verlag, 2009.
[2]: Dr. Reiner Braun, Ulrich Pfeiffer, and Lorenz Thomschke, “Erben in Deutschland: Volumen, Verteilung und Verwendung.” Deutsches Institut für Altersvorsorge, 2011.
[3]: vgl. S. 33-34 in Wissenschaftlicher Beirat des Bundesministeriums für Finanzen, “Die Begünstigung des Unternehmens­ vermögens in der Erbschaftsteuer.” Bundesministerium für Finanzen, 2012.
[4]: vgl. S. 79 in Jörg Dribeck, Erbschaftsteuer leicht gemacht. Berlin: Ewald von Kleist Verlag, 2009.

[5]: vgl. S. 30 (gleiche Literatur wie [3])

1 Kommentare:

  1. Hallo Zusammen,

    also bis zum 30.06.2016 muss ein neuer Vorschlag stehen. Ich bin für "Gleichheit". Das Argument, welches für die Weiterführung des Betriebes zählt, finde ich als nicht relevant. Dies ist ein Argument aus Angst heraus und Angst ist ein sehr sehr starker Motivationsträger, dem würde ich zustimmen, wenn aber der Betrieb als lukrativ angesehen wird, wird dieser dennoch weitergeführt. Wenn der Betrieb als solches aber nicht eingestuft wird, ist es doch viel besser, wenn dieser abgemeldet wird bzw. verkauft wird.

    VG
    Steffen von Erbrecht München

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