Subscribe:

Blog Directory

Blogverzeichnis

Freitag, 1. Juli 2016

Die enthemmte Mitte - eine politische Bewertung der Mittestudie

Die neue Mittestudie der Universität Leipzig hat in den letzten Wochen für viel Aufregung gesorgt. In einer Zeit des erstarkenden Rechtspopulismus zeigt sie erneut, wie Anschlussfähig menschenfeindliche Positionen in der deutschen Gesellschaft sind und was Phänomene wie Pegida oder die AfD damit zu tun haben. Die schockierenden Ergebnisse des Fragebogens habe ich in grober Form schon auf Facebook beschrieben:


Darum soll es in diesem Post nicht gehen. Stattdessen möchte ich ein wenig tiefer in die subtileren Erkenntnisse der weiteren Untersuchung eindringen und politische Interpretationen liefern, die in der Studie in der Regel nicht vorgenommen werden. So kann dieser Post als Lesehilfe für die Studie aus progressiver Sicht verstanden werden. Ich teile den Post in mehrere Teile, die alle so autonom konzipiert sind, dass ein Teil auch ohne den anderen verständlich sein sollte. Rückbezüge werden sich trotzdem nicht immer vermeiden lassen.

Im ersten Teil des Posts analysiere und bewerte ich die demografischen Erkenntnisse der Studie. Im zweiten Teil gehe ich genauer auf den Punkt des Antisemitismus ein, da die Studie für ihre Betrachtung dieser Form von Menschenfeindlichkeit zurecht Kritik auf sich gezogen hat. Anschließend folgt eine Betrachtung der AfD und ihrer Anhänger*innen. Danach schließe ich diesen Post mit einem Ausblick und der Frage, inwiefern aus den Ergebnissen der Studie auch positive Entwicklungen hervorgehen.

DISCLAIMER: Dieser Post hat nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Arbeit, da Belege für getroffene Schlüsse zeitliche Ressourcen voraussetzen würden, die ich momentan nicht habe.

Die Demographie der Menschenfeindlichkeit

Demografische Betrachtungen sind im Kontext gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sehr interessant, da das Bild des ungebildeten, sozial abgehängten Mannes als repräsentativ für den Menschenfeind angesehen wird. Dieses Bild ist kritikwürdig, da es abwertende Ideologien als Folge niedriger Bildung ansieht und somit gleichzeitig eine Ausrede für derartige Einstellungen bietet und gebildete Bevölkerungsgruppen per se von Menschenfeindlichkeit ausnimmt (womit immer auch eine Abwertung der "Dummen" verbunden ist). Die Mittestudie ist eine gute Gelegenheit, dieses Bild einmal mehr auf seine Richtigkeit zu überprüfen.


In Bezug auf die Bildung scheint die Mittestudie das eben beschriebene Bild zu bestätigen. Menschen ohne Abitur zeigen Signifikant höhere Zustimmungsraten zu Aussagen, die eine Diktatur befürworten (5,7% vs. 2,6% mit Abitur), nationalchauvinistisch(18,9% vs. 8,7%), ausländerfeindlich (23,5% vs. 8,9%) oder antisemitisch sind (5,6% vs. 1,8%) (S.38). Das kann zum Einen daran liegen, dass es aufgrund mangelnder politischer Bildung tatsächlich einen Hang zu verkürzten Darstellungen komplexer Gesellschaftlicher Probleme gibt, die Feindbildkonstruktionen beinhalten können. Auf der anderen Seite könnte der sog. Erwünschtheitseffekt, bei dem Umfragen mit den sozial erwünschten statt den tatsächlich empfundenen Antwortmöglichkeiten beantwortet werden, in höheren Bildungsschichten ausgeprägter sein. Dies ließe sich dadurch erklären, dass Menschen mit höherer Bildung häufiger politische Inhalte in Medien konsumieren, die in der Regel Position gegen offene Menschenfeindlichkeit beziehen. Leider wurden in der Studie keine Analysen des Mediennutzungsverhaltens der Befragten vorgenommen, sodass diese Erklärung nicht geprüft werden kann.

Bezüglich der Parteipräferenzen von Menschen mit geringem Bildungsgrad lässt sich eine Zweiteilung des Parteienspektrums feststellen. (S.70) Während bei FDP (33,3% Abitur), Linken (35,9%) und Grünen (40,7%) jeweils jede*r dritte*r Wähler*in das Abitur gemacht hat, sind es bei CDU/CSU (22,5%), SPD (19%) und AfD (16,2%) deutlich weniger als 1/4. Nichtwähler*innen (9,6%) haben das geringste Bildungsniveau, was mit der schlechteren politischen Bildung in unteren Schulformen zu erklären ist. Hier findet sich bereits ein Hinweis darauf, wieso die AfD ein derart hohes Mobilisierungspotenzial bei Nichtwähler*innen hat: sie ist selbst im bildungsfernen Milieu verortet und zieht deshalb eher Menschen aus dieser Gruppe an.

Auch das Stereotyp des männlichen Wutbürgers lässt sich anhand der Daten bestätigen. Mit Ausnahme der Dimension des Sozialdarwinismus werden alle abgefragten Arten gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit deutlich häufiger von Männern vertreten. Ich vermute, dass das gesellschaftlich vermittelte Bild von Männlichkeit dafür ursächlich ist. Männern wird in geringerem Maße zugestanden, eigene Fehler zu begehen, sodass Misserfolge im eigenen Lebenslauf eher auf andere projiziert werden. Dass für solche Projektionen besonders gesellschaftliche Randgruppen geeignet sind, denen im öffentlichen Diskurs ein ohnehin geringerer Wert zugesprochen wird, sollte offensichtlich sein. Darüber hinaus ist eine nach außen gerichtete Projektion eher mit dem aggressiven Männlichkeitsbild vereinbar. Während Frauen* die Agression häufig in Form von Depressionen gegen sich selbst richten, werden Männer auf Fremdaggression sozialisiert.

Die häufig vorgebrachte Behauptung, Menschenfeindlichkeit finde sich in Ostdeutschland häufiger, wird durch die Studie nicht bestätigt (S.37). Lediglich bei der Befürwortung einer Diktatur (7,6% Ost vs. 4,3% West) und beim Sozialdarwinismus (5,0% vs. 3,0%) lassen sich signifikant höhere Werte im Osten feststellen. Beim Sozialdarwinismus liegt die Eklärung nahe, dass dies an der schlechteren wirtschaftlichen Situation im Osten liegt, die eher auf die sozial benachteiligten Schichten projiziert wird als auf kapitalistische Sachzwänge (Näheres dazu könnt ihr in meinem Post zu Hartz 4 lesen). Bei der Befürwortung der Diktatur hilft ein Blick auf die Aufschlüsselung nach Alter (S.39), die bei Ostdeutschen über 61 ganze 11,2% Zustimmung ergibt (die selbe Altersgruppe im Westen weist 3,9% Zustimmung auf). Dies lässt sich mit einer schlechteren NS-Aufarbeitung in der DDR erklären. Auch die Tatsache, dass die älteste Bevölkerungsgruppe die längste DDR-Sozialisation durchlaufen und die prosperierendsten DDR-Jahre erlebt haben, dürfte hier eine Rolle spielen. Auch junge Ostdeutsche unter 30 befürworten eine Diktatur mit 8,3% vergleichsweise hoch (3,4% im Westen). Allerdings sind in dieser Gruppe nur 98 Menschen befragt worden, was das Ergebnis nicht signifikant macht.

Erwerbslose, denen häufig Menschenfeindlichkeit unterstellt wird, zeigen in der Betrachtung der Studie (S.40) höhere Werte als Menschen mit anderem Erwerbsstatus, diese sind aufgrund der niedrigen Gruppengröße (134 Erwerbslose haben geantwortet) jedoch nicht signifikant, weswegen die Studie hierüber keine Aussagen treffen kann. Die 264 Gewerkschaftsmitglieder jedoch, die in der Studie befragt wurden, haben in den Dimensionen "Befürwortung Diktatur" (7,6% vs. 4,7% bei fehlender Gewerkschaftsmitgliedschaft) und "Ausländerfeindlichkeit" (25,0% vs. 19,8%) signifikant höhere Zustimmungswerte. Bei der Ausländerfeindlichkeit liegt eine gefühlte Arbeitsplatzkonkurrenz nahe, während mir bezüglich der Diktaturbefürwortung kein Erklärungsmuster einfällt. In jedem Fall ist die Gewerkschaftsbewegung gefordert, diese Einstellungen ihrer Mitglieder zu reflektieren und ihre vielfältige Arbeit gegen Menschenfeindlichkeit fortzusetzen.

Nicht unerwähnt sollte auch die Aufschlüsselung der Konfessionen (S.42) bleiben. Im Bereich der Ausländerfeindlichkeit haben sowohl evangelische (21,0% Zustimmung) als auch katholische (22,7%) Befragte deutlich und signifikant höhere Zustimmungsraten als Konfessionslose (18,7%). Ob dies mit einer höheren Islamfeindschaft bei Christ*innen erklärt werden kann, ist leider nicht zu beantworten, da eine entsprechende Aufschlüsselung der Islamfeindschaft durch die Studie leider nicht vorgenommen wurde. Ebenfalls interessant ist, dass katholische Befragte deutlich häufiger (3,7% vs. 0,9% (evang.) und 1,5%) zu einer Verharmlosung des NS-Regimes neigen. Ob dies mit der Kollaboration zwischen Vatikan und Hitler zusammenhängt, ist schwer zu überprüfen. Aufgrund der vergangenen Zeit zwischen dem 3. Reich und heute ist diese Erklärung jedoch unwahrscheinlich.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Mittestudie einige beliebte Interpretationsweisen der Demografischen Aspekte von Menschenfeindlichkeit zu stützen scheint, an vielen Stellen jedoch auf weitergehende Analysen verzichtet, die in den Punkt der Demografie mehr Klarheit bringen würde. Interessant für weitere Forschungsarbeit sind die Ergebnisse allemal.

Antisemitismus

In Bezug auf den gesellschaftlichen Antisemitismus stellt die Mittestudie fest, dass dessen Zustimmung "in der Tendenz insgesamt rückläufig" (S.44) ist. Während bei der ersten Mittestudie 2002 9,3% der Befragten als antisemitisch klassifiziert worden, fallen 2016 nur noch 4,8% der Befragten in diese Kategorie. Diese Entwicklung ist deutlich positiv, zeigt jedoch nur einen kleinen Bereich des antisemitischen Ressentiments.

Die einzige Antisemitismusvariante, die im Fragebogen abgefragt wurde, ist der manifeste und offen geäußerte rassistisch oder kulturalistisch begründete Antisemitismus. Ein solcher Antisemitismus, der ohne Umwegkommunikationen offen die Jüd*innen als Schuldige für alles Böse in der Welt darstellt, ist im modernen Antisemitismus eine Randerscheinung. Häufiger ist eine Ausdrucksweise, die Israel, Banker, die Fed, die Bilderberger oder Massenmedien beschimpft, aber eigentlich Jüd*innen damit meint. Diesen modernen Antisemitismus lässt die Mittestudie einfach außen vor.

Besonders ärgerlich ist die Auslassung des modernen Antisemitismus, da viele seiner Elemente in der Studie untersucht, jedoch nie mit Antisemitismus in Verbindung gebracht werden. Zum Beispiel werden Verschwörungsmentalitäten untersucht, die sich in der Regel antisemitisch ausprägen (die Verschwörer*innen werden entweder explizit als Juden benannt oder besitzen stereotype jüdische Charakterzüge). Auch der Begriff "Lügenpresse", der im Endeffekt nur eine weniger auffällige Version des Wortes "Judenpresse" darstellt, wird in der Studie untersucht. Vor diesem Hintergrund werde ich in der Antisemitismusanalyse vor allem auf diese beiden Aspekte eingehen (Fragen über Israel sind leider überhaupt nicht gestellt worden, obwohl diese Umwegkommunikation vermutlich eine der am häufigsten anzutreffenden ist. Auch Antiamerikanismus und Antimodernismus wurden nicht abgefragt).

Die Betrachtung der Verschwörungsmentalität (S.61) gibt einen guten Hinweis darauf, wie stark antisemitische Gedankenmuster in Deutschland anschlussfähig sind. So stimmen etwa 38,6%
der Befragten der Aussage "Es gibt geheime Organisationen, die großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben." zu, nur 39,2% lehnen sie ab. Der deutlich klarer antisemitisch konnotierten Aussage "Politiker und andere Führungspersönlichkeiten sind nur Marionetten der dahinterstehenden Mächte." stimmen immerhin noch 34,8% der Befragten zu (Ablehnung 37,2%). Diese Zahlen sind alarmierend, in der Entwicklung ist die Gesamtzustimmung (37,7% 2012 auf 33,3%) zu den Verschwörungsitems jedoch seit 2012 deutlich gesunken, insbesondere im Osten (49% auf 38,4%). Wie diese Veränderung mit Bewegungen wie dem "Friedenswinter" und Pegida in Einklang zu bringen ist, wird leider nicht deutlich, da diese Dimension des Antisemitismus in der Studie nicht weiter aufgeschlüsselt wird. Lediglich bei der Parteipräferenz wird differenziert (S.92). Wenig überraschend zieht neben der AfD (65,3%) vor allem die Linkspartei (44,6%) Verschwörungsgläubige an. Der Einfluss von Personen wie Sarah Wagenknecht und Dieter Dehm ist hier unverkennbar. Lediglich die Anhänger*innen der FDP stimmen zu weniger als einem Viertel den Verschwörungsideologien zu (22%). Dies ist vermutlich damit zu erklären, dass sich Verschwörungsgedanken häufig auf reiche Geschäftsleute beziehen, die traditionell von der FDP positiv bewertet werden. Interessanter wäre bei der Möllemann-Partei wohl eine Frage zu Israel gewesen.

Den antisemitisch geprägten Begriff der Lügenpresse wollen 58,8% der Deutschen nicht ablehnen (S.63). Der Aussage "Wenn Sie an Zeitungen, Radio und Fernsehen in Deutschland denken, würden Sie persönlich dann von Lügenpresse sprechen?" wollten jedoch auch "nur" 14% der Befragten zustimmen. 44,9% antworten "teils, teils". Hierin liegt die große methodische Schwierigkeit in der Fragestellung. Eine "teils, teils"-Antwort könnte mit verschiedensten Assoziationen der Befragten verbunden sein. Die naheliegendste Interpretation ist, dass sich Menschen der sozialen Unerwünschtheit ihrer Aussage bewusst sind, sie aber nicht komplett ablehnen wollen, und mit der Antwort einen einfachen Ausweg aus einer emotional stressigen Befragungssituation wählen (auch anonymisierte Befragungen verursachen solche Effekte). Weiterhin ist denkbar, dass jemand die meisten Medien als Lügenpresse bezeichnen würde, den Kopp-Verlag oder Russia Today jedoch als sehr seriös ansieht (oder vice versa). Schließlich könnte auch gemeint sein, dass Zeitungen manchmal etwas falsches schreiben und bewusst verzerren, jedoch nicht pauschal als "Lügenpresse" dargestellt werden können. Diese verschiedenen Interpretationen hätte man mit einigen Zusatzfragen unterstützen oder widerlegen können, so bleibt die größte Antwortkategorie der Spekulation überlassen. Betrachtet man nur die Zustimmung, so ist diese erwartbarerweise im Osten höher (18,2% vs. 12,9%). Parteipolitisch finden sich die Benutzer*innen des Wortes vor allem bei der AfD (41,3%), den Nichtwähler*innen (20,1%) und der Linkspartei (15,4%), während die Zustimmungsraten vor allem bei Grünen (6%) und FDP (4%) niedrig sind. Diese Erkenntnisse decken sich mit dem Bereich der Verschwörungsideologien.

Nimmt man die Zustimmung zum Lügenpressevorwurf und zu den Verschwörungsideologien als Grenzwerte für eine grobe Einschätzung des Antisemitischen Potenzials in Deutschland, so sind mindestens 14-33% der Deutschen antisemitisch oder gegenüber antisemitischen Parolen offen. Weit mehr als die 4,8%, die mit dem Ursprungsfragebogen gefunden werden konnten (S.37). Rechnete man den Erwünschtheitseffekt heraus und stellte Fragen zu Israel, könnte die von mir genannte Zahl noch das reale antisemitische Potential unterschätzen.


AfD - Die Alternative für Menschenfeinde

Das Erstarken der "Alternative für Deutschland" ließ viele politische Kommentator*innen ratlos zurück. Eine rechtspopulistische Partei passte nicht ins gewünschte Bild eines geläuterten Deutschlands. Tatsächlich blieb Deutschland im europäischen Vergleich lange vom Rechtsruck in den Parlamenten verschont. Als die AfD schließlich in ihrer Gründung begriffen war, wurden Parallelen zu den Republikanern und anderen rechten Parteien gezogen, die in vergangenen Jahrzehnten ebenso schnell wieder gegangen wie gekommen waren. Nach den ersten Parlamentseinzügen und einer Stabilisierung in den Umfragen wurde die AfD zunächst als Protestpartei abgekanzelt, der spätestens nach dem Austritt Bernd Luckes und dem darauf folgenden Rechtsruck das Scheitern drohe. Doch auch diese Vorhersage stellte sich als falsch heraus. Jetzt wird immer mehr Menschen klar, dass die AfD nicht trotz, sondern wegen ihres menschenfeindlichen Programms gewählt wurde. Die neue Mittestudie bietet eine der ersten Möglichkeiten, die Wähler*innen der inzwischen deutlich rechtsextremen Partei genauer zu betrachten und zu beschreiben. Das möchte ich im Folgenden versuchen.

Wähler*innen der AfD werden häufig als alte, ungebildete Männer dargestellt. Diese Vorstellung stimmt zum großen Teil. AfD-Wähler*innen haben zu 16,2% Abitur (S. 70), was dem niedrigsten Bildungsgrad aller dargestellten Parteien entspricht. Nur die Nichtwähler*innen sind noch weniger formal gebildet (9,6%). AfD-Wähler*innen sind zu fast 2/3 männlich (S.71) und haben unterdurchschnittlich häufig ein Haushaltseinkommen über 2500€ (S.73). Ihre Demografie birgt jedoch auch Überraschungen. So hat die Partei ungefähr den gleichen Prozentsatz an Wähler*innen mit einem Haushaltseinkommen unter 1250€ wie die Grünen (18,7% vs. 18,1%) und deutlich weniger als die Linken (23,1%), sie ist also entgegen mancher Darstellungen keine Partei der Geringverdiener*innen, wobei das Haushaltseinkommen nur bedingt aussagekräftig ist, wenn man die vermutlich eher Familienorientierte Werteeinstellung der AfD-Sympathisant*innen und die damit einhergehende größere Haushaltsgröße bedenkt. Hierzu wäre eine Aufschlüsselung sehr sinnvoll gewesen. Entscheidender, vorgreifend auf den Ausblick im nächsten Abschnitt, ist wohl das geringe Durchschnittsalter (46,9 Jahre, S.71) der AfD-Wähler*innen, das nicht auf eine rosige Zukunft der Demokratie in Deutschland hoffen lässt. Nur die Grünen (42 Jahre) haben eine jüngere Wähler*innenschaft. Auch die Konfessionszugehörigkeit fällt überraschend aus (S.72). Nach den Linken (54,6%) hat die AfD mit 43% den größten Anteil von Konfessionslosen in ihrer Wähler*innenschaft. Dies ist zum Einen verwunderlich, da viele AfD-Positionen christlich-konservativ sind (etwa die Familienpolitik und den Umgang mit alternativen Sexualitäten), zum Anderen widerspricht es dem Befund, dass Konfessionslose eher niedrigere Werte in den Feldern gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit aufweisen. Ich habe momentan keine Erklärungsangebote für diese Beobachtung.

In Bezug auf die menschenfeindlichen Einstellungen ihrer Mitglieder wird deutlich, dass die AfD sowohl bei Nichtwähler*innen und Unentschiedenen als auch den "Volksparteien" anschlussfähig ist. Bei fast allen Dimensionen der Menschenfeindlichkeit (ab S.74 aufgeschlüsselt) folgen auf die höchsten Werte der AfD die Nichtwähler*innen/Unentschiedenengruppe und dann die Volksparteien. Auch bei ihrer fehlenden Zustimmung zur Demokratie sind Nichtwähler*innen und AfD nah beieinander (S.79). Bei der Abwertung von Roma (S.83) haben die Wähler*innen der FDP (62,7%) abweichend höhere Zustimmungswete als die Volksparteien, was an dem Verhältnis der Partei zum Leistungsideal liegen könnte. Auch beim Sexismus ist die Brüderle-Partei mit 14% Zustimmung zweite hinter der AfD (19,7%) (S.88). Entgegen der Behauptung einiger AfD-Spitzen, die Partei sei nicht rechts, sondern die Partei des gesunden Menschenverstands, deutet die Selbsteinschätzung ihrer Sympathisant*innen auf eine klare Identifizierung als rechts hin (S.88).

Die AfD zeigt sich in der Mittestudie klar als die Partei des rechten Mobs. 41,3% ihrer Wähler*innen stimmen dem Ressentiment der "Lügenpresse" zu (S.89), 70,4% unterstützen die Pegida-Bewegung (S.90), 65,3% besitzen eine Verschwörungsmentalität (S.92) und 47,4% beschreiben sich selbst als Gewaltbereit (S.91). Es ist höchste Zeit, die Diskussion um den Charakter der AfD zu beenden. Die AfD ist eine offen rechtsextreme, gewalttätige und demokratiefeindliche Bewegung, die das Potenzial hat, den demokratischen Verfassungsstaat in seinen Grundfesten zu erschüttern. Dies zeigt sich im Auftreten der AfD-Politiker*innen wie in den Einstellungen ihrer Wähler*innenbasis. Die neue Mittestudie liefert hier Belege, denen schwer zu widersprechen sein dürfte.



Ausblick

Die Frage, die sich den meisten Leser*innen dieses Posts angesichts des anhaltenden Rechtsrucks in Europa stellen wird, ist die nach der Zukunft des Rechtspopulismus in Deutschland. Während ich bislang meist (auch aufgrund fehlender Daten) bei einer statischen Analyse verblieben bin, werde ich in diesem Abschnitt stärker auf Veränderungen über die Zeit eingehen, die zumindest Teilweise in der Mittestudie aufgezeigt werden. Die Entwicklung der Rechtsextremismusdimensionen seit 2002 (Ab S.43) scheint hier weniger interessant zu sein, als die Betrachtung der Zusatzfragebögen. Es sei erwähnt, dass die Ausländerfeindlichkeit vor allem seit 2012 deutlich zurückging, aber immer noch sehr hoch ist.

Als ersten Punkt stellt die Mittestudie bei der Auswertung der Zusatzfragebögen die Abwertung von Menschen muslimischem Glaubens heraus, die sich so entwickelt hat, wie es die öffentlichen Debatten der letzten Jahre vermuten lassen. Während 2009 21,4% Muslimen die Zuwanderung verweigern wollten, sind es heute schon 41,4%. Hier zeigen sich die Auswirkungen des weltweiten islamistischen Terrors und der darauf folgenden Debatte, inwiefern "der Islam" zu Deutschland gehöre. Angesichts des Erstarkens der AfD und vorraussichtlich weiterer Anschläge durch den IS kann in diesem Punkt keine positive Entwicklung erwartet werden. Stattdessen werden als muslimisch markierte Menschen auch in Zukunft um ihr Leben fürchten müssen, wenn sie durch deutsche Straßen gehen.

Bei der Abwertung von Asylbewerber*innen und Roma zeigt sich ein ähnliches Bild. Die von konservativer Seite vorangetriebene Debatte um "Armutszuwanderung" und "Asylmissbrauch" hat hier volle Wirkung entfaltet. Inzwischen möchten 49,6% der Deutschen Roma aus den Innenstädten verbannen und 59,9% sprechen Asylbewerber*innen einen legitimen Fluchtgrund ab (S.50). Ob sich diese Entwicklung angesichts zurückgehender Flüchtlingszahlen verlangsamen wird, ist mehr als fraglich, zumal Ressentiments nicht sachlich getrieben sind und sowohl AfD als auch rechte Propagandamedien kontinuierlich ideologischen Nachschub für die rassistische Filterbubble liefern. Über die Abwertung von Homosexualität ließe sich ähnliches konstatieren, weswegen ich im Folgenden nicht genauer auf sie eingehen werde.

Die einzige teilweise positive Aussicht, die sich aus der Mittestudie ziehen lässt, liegt in der Analyse politischer Milieus. Anhand ihrer Antworten wurden die Teilnehmenden in 6 Gruppen eingeteilt, die ihre Menschenfeindlichkeit, Gewaltbereitschaft und Akzeptanz der Demokratie widerspiegeln. Während 2006 noch 36,9% den demokratischen Milieus zugerechnet werden konnten, sind es heute 59,9% (S.104). Ein Wermutstropfen dabei liegt in der Tatsache, dass der größte Anstieg in dieser Gruppe (13,6% auf 29,3%) beim "Konformen Milieu" zu verzeichnen ist, dass sich durch relativ geringe Menschenfeindlichkeit bei hoher Autoritätshörigkeit auszeichnet. Es ist klar, dass man auf diese Menschen nicht hoffen kann, wenn es darum geht, menschenfeindliche Asylgesetze zu verhindern oder dem gesellschaftlichen Rechtsruck entgegenzutreten. Im Gegenteil zeigt diese Gruppe neben dem Autoritarismus auch eine hohe Ausländerfeindlichkeit (S.116) und wählt zu immerhin 7% die AfD. In Bezug auf antidemokratische Milieus wird klar, wie der parlamentarische Rechtsruck der Gesellschaft zu erklären ist. Sie werden zwar Zahlenmäßig kleiner, sind nun aber nicht mehr bei den Volksparteien gebunden. Nehmen wir als Beispiel das radikalste Milieu , das als "rebellisch-autoritäres Milieu" bezeichnet wird (S.133). Während in diesem Milieu seit 2006 die Wahlabsicht sowohl für die Union (33,6% vs. 15,7%) als auch für die SPD (32,6% vs. 12,9%) drastisch gesunken ist, geben 29,3% aus diesem rechtsextremen Milieu an, die AfD wählen zu wollen. Hier liegt der Hauptgrund für den Erfolg der AfD: sie vertritt das, was viele ehemalige Wähler*innen der Volksparteien insgeheim immer dachten.

Was bleibt nach diesem Kurzdurchlauf durch die Mittestudie nun noch zu sagen. Ein kohärentes Fazit scheint nach vielen widersprüchlichen Erkenntnissen kaum möglich. Menschenfeindliche Einstellungen sind so stark vorhanden wie eh und je. Jetzt haben sie mit der AfD eine Partei, die sie aggressiv sichtbar macht und propagiert. Die AfD wird vermutlich darin fortschreiten, die Wähler*innen zu binden, die sich früher bei den Volksparteien wohl fühlten. Das einzige Gegenmittel dagegen wird es sein, Menschenfeindlichkeit jeder Form immer und überall entschlossen entgegenzutreten. Es wird ein harter Kampf




Sonntag, 24. April 2016

Für Obama- gegen TTIP: Rede auf der Anti-TTIP Demonstration

 Am 24.4.2016 durfte ich für die Grüne Jugend Niedersachsen auf der Demonstration gegen TTIP in Hannover reden. Da von dieser Rede keine Videoaufzeichnung besteht, stelle ich im Folgenden das Redemanuskript bereit.

 ----------------------------------------------------------------------------------

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter für eine gerechte Handelspolitik,

der morgige Tag ist ein großer Moment in der Geschichte der Stadt Hannover. Schließlich hat man nicht jeden Tag einen US-Präsidenten zu Besuch. Ich wäre ehrlich gesagt gerade lieber in Feierstimmung als in Demonstrationsstimmung, aber ein großes Problem überschattet den Besuch des Präsidenten: das Freihandelsabkommen TTIP.

Wir alle, die wir hier zu tausenden auf die Straßen Hannovers gekommen sind, wissen: TTIP ist ein Angriff auf Rechte, für die wir lange kämpfen mussten.
Das beginnt beim Recht auf demokratische Teilhabe. Obwohl TTIP in viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens eingreifen will, sind die Verhandlungen zum Abkommen immer noch streng geheim. Selbst gewählte Volksvertreter*innen kennen einen Großteil der Verhandlungsdokumente nicht. Wenn sie ausnahmsweise mal etwas zu Gesicht bekommen, dürfen sie darüber nicht frei sprechen. Diese Intransparenz können wir uns nicht bieten lassen. Deswegen ist es gut, dass wir hier und heute ein Zeichen für bürgernahe Politik setzen!

TTIP ist aber nicht nur undemokratisch, sondern auch zutiefst unsozial. Die USA haben bislang lediglich 2 der 8 ILO-Kernarbeitsnormen unterzeichnet. Grundlegende Arbeitnehmer*innenrechte wie die Gründung von Betriebsräten gibt es dort nicht. Die Befürchtung, TTIP könnte zur Aushöhlung von Sozialstandards führen, ist deshalb sehr naheliegend. Die EU-Kommission zeigt bereits als Teil der Troika seit Jahren, dass sozialpolitischer Kahlschlag weit oben auf ihrer Agenda steht. Sie opfert soziale Rechte dem Diktat der Märkte und der - auch vom zweiten Gast der morgigen Hannovermesse, Bundeskanzlerin Angela Merkel, oft beschworenen – Alternativlosigkeit neoliberaler Politik. Wer wie Sigmar Gabriel behauptet, TTIP helfe den "kleinen Leuten", ignoriert alle Erfahrungen vergangener Handelsabkommen. Wer wissen möchte, was TTIP für die "kleinen Leute" bereithält, muss nur nach Mexiko gucken. Dort hat das ähnlich strukturierte Abkommen NAFTA bereits zu einer Verelendung breiter Schichten geführt. Deswegen sage ich euch heute: soziale Politik muss sich gegen Alternativlosigkeiten, sie muss sich gegen TTIP wenden!

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

ich spreche heute im Namen der Grünen Jugend Niedersachsen zu euch. Wir Grüne sehen natürlich auch die Auswirkungen von TTIP auf die Umwelt mit großer Sorge. Wenn neue Umweltstandards in Zukunft als "indirekte Enteignung" oder "unangemessene Behandlung" von Investor*innen gewertet und als Klagegründe für Investor-Staatsklagen benutzt werden können, sieht die Zukunft ökologischer Politik sehr düster aus. Wir ziehen deshalb heute durch Hannover und zeigen Merkel und Obama unmissverständlich: die Zukunft unseres Planeten ist nicht verhandelbar!
Wir möchten selbst entscheiden, ob wir Hormonfleisch oder genmanipulierte Pflanzen auf unseren Tellern wollen! Wir lassen uns nicht davon abhalten, uns gegen Chlorhühnchen zur Wehr zu setzen! Wir werden nicht dem Lobbyismus der Frackingindustrie nachgeben und unser Trinkwasser und unser Klima gefährden! Und wir werden uns in Europa auch weiterhin hohe Standards in der Chemiebranche leisten. Wir werden TTIP gemeinsam stoppen!

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

wir haben als Jugendorganisationen einen eigenen Block in dieser Demo, zu dem ich gleich zurückgehen werde. Es motiviert mich sehr, so viele Menschen aller Generationen gemeinsam auf der Straße zu sehen. Freihandelsabkommen wie TTIP, CETA und TiSA gehen uns alle etwas an und wir werden sie nur mit vereinten Kräften verhindern können. Ich möchte an dieser Stelle an euch alle appelieren, euch auch nach dem Kampf gegen diese Abkommen weiter in der Handelspolitik zu engagieren. Eine gerechte Weltgesellschaft kann es nur mit einem gerechten Welthandel geben. Lasst uns auch in Zukunft gemeinsam für eine lebenswerte Welt für alle streiten! Zusammen sind wir stark!

Mittwoch, 23. September 2015

TiSA: Was uns erwartet

In den letzten Monaten ist Freihandelspolitik immer stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gelangt. Die Diskussion um die Abkommen TTIP und CETA hat eine größere öffentliche Sensibilität für die Gefahren derartiger Verträge erzeugt (eine Einführung in die Abkommen habe ich auf Youtube hochgeladen). Diese Entwicklung ist angesichts der seit dem Vertrag von Lissabon neuen Zuständigkeit der EU-Kommission für Investitionsschutzabkommen sehr zu begrüßen. Weitreichende Einschnitte wie durch TTIP und CETA dürfen nicht an der Zivilgesellschaft vorbei entschieden werden, sondern müssen idealerweise einen breiten Diskussionsprozess durchlaufen. An Kontroversen scheint es bei den Abkommen momentan nicht mehr zu mangeln.

Relativ unbeachtet von der breiten Öffentlichkeit laufen jedoch Verhandlungen zu einem Abkommen, das ähnlich weitreichende Folgen wie TTIP oder CETA haben könnte: TiSA. Das "Trade in Services Agreement" wird seit Anfang 2013 von ca. 50 Staaten (eine geographische Übersicht der Verhandlungsparteien findet sich hier) verhandelt, die sich selbst als "Really Good Friends of Services" bezeichnen. TiSA soll die WTO-Bestimmungen zum Handel mit Dienstleistungen, die im GATS-Abkommen ("General Agreement on Trade in Services") festgelegt sind, erweitern und mittelfristig ersetzen. Da etwa noch unklar ist, ob und unter welchen Bedingungen China am Abkommen teilnehmen wird, verzögern sich die Verhandlungen und sind weniger weit fortgeschritten als bei den oben erwähnten Abkommen. Trotzdem sollte die Zivilgesellschaft möglichst früh beginnen, sich mit den weitreichenden Auswirkungen von TiSA zu beschäftigen und die Gegenmobilisierung zu organisieren. Im Juli erschienen auf Wikileaks die aktuellsten geleakten Dokumente der Geheimverhandlungen, was einen idealen Aufhänger bietet, sich auch auf diesem Blog genauer mit TiSA zu beschäftigen. Im Folgenden Post beschreibe ich deshalb einige grundlegende Probleme des TiSA-Abkommens und beziehe mich dabei auf den Wikileaks-Leak sowie einen früheren Report von Public Services International.

Warum TiSA?

Die Grundidee der Welthandelsorganisation (WTO) war es, internationalen Handel multilateral (also mit allen Ländern) zu verhandeln und für alle verbindlich zu machen. Die wichtigsten daraus entstandenen Freihandelsabkommen sind das GATT ("General Agreement on Tariffs and Trade") für den Warenhandel und das bereits erwähnte GATS für den Dienstleistungssektor. Die dort beschlossenen weitgehenden Liberalisierungen gelten für alle WTO-Mitglieder. Ursprünglich war geplant, diese Abkommen multilateral weiterzuverhandeln, doch die Interessen unterschiedlicher Länder sind momentan so divergent, dass eine Einigung über weitere Liberalisierungen unwahrscheinlich scheint. Dieser Umstand führte bei vielen Staaten zu einer Änderung der handelspolitischen Strategie. An die Stelle der stockenden multilateralen Verhandlungen traten immer mehr bilaterale (TTIP, CETA) oder plurilaterale (TiSA) Verhandlungen.

Die an TiSA beteiligten Staaten versuchen mit dem Abkommen, eine weitergehende Liberalisierung aller Dienstleistungen als weltweiten Standard zu setzen. Da die "Really good Friends of Services" in diesem Bereich ähnliche Interessen haben, sollten die Verhandlungen schneller abzuschließen sein als in einem vergleichbaren multilateralen Abkommen. Aufgrund der hohen Marktanteile der beteiligten Staaten im Dienstleistungssektor wären Staaten außerhalb des Abkommens jedoch schnell gezwungen, die selben Standards zu etablieren, wenn sie nicht vom weltweiten Dienstleistungsmarkt ausgeschlossen sein wollen. Auch wenn noch viele juristische Unklarheiten darüber bestehen, wie TiSA neben dem GATS-Regelwerk existieren kann und ob die Regeln später auf die gesamte WTO übertragbar sind, ist die Intention einer Umgehung der WTO (und damit der ärmsten Staaten der Welt und sonstiger Abweichler) offensichtlich. Wer TiSA zulässt, gefährdet also den Multilateralismus und die Legitimität der WTO grundlegend.

"Gleichbehandlung"

Was sind nun die konkreten Punkte, die in TiSA geregelt werden sollen und über die GATS-Regeln hinausgehen? Neben Verschärfungen der Regeln, welche Regierungsmaßnahmen den Grundsatz des "National Treatment", der Gleichbehandlung ausländischer und inländischer Dienstleistungsanbieter*innen, enthalten, sind vor allem die Ausnahmebestimmungen dieser "National Treatment"-Regeln entscheidend verändert worden. Während sich Staaten im GATS über eine "Positivliste" verpflichteten, bestimmte Sektoren ihrer Wirtschaft zu liberalisieren, steht ihnen in TiSA nur noch eine "Negativliste" zur Verfügung, die alle von der Liberalisierung ausgenommenen Sektoren aufzählt.

Der Negativlistenansatz bedeutet Konkret, dass jeder (auch zukünftig neu entstehende) Dienstleistungssektor standardmäßig vollständig liberalisiert wird. Damit verbunden ist ein Verbot der Subvention inländischer Unternehmen, gesetzlicher Monopole für bestimmte Dienstleistungen und anderer Maßnahmen. Bereits ein indirekter Einfluss einer Regierungshandlung oder eines Gesetzes auf den Handel mit Dienstleistungen reicht aus, um einen Disput nach den Regeln von TiSA auszulösen. Hier besteht großer Spielraum für Interpretationen und damit auch für Missbrauch durch Konzerne, die bestimmte Gesetze ablehnen.

Nichts aus der Finanzkrise gelernt?!

Was eine nationale Behandlung konkret bedeuten kann, lässt sich gut am Anhangstext zu Finanzdienstleistungen verdeutlichen, der auf Wikileaks ausführlicher als hier analysiert wird. Bei Betrachtung der diskutierten Liberalisierungen lässt sich die Frage stellen, ob die beteiligten Regierungen zukünftige Finanzkrisen wahrscheinlicher machen wollen, oder einfach nur vollkommen in ihrer marktradikalen Ideologie gefangen sind: Bestehende Finanzmarktregularien werden einer Anfechtung durch private Schiedsgerichte ausgesetzt, die Regulierung zukünftiger riskanter Finanzprodukte wird durch Stillhalteklauseln verboten und auch wichtige Notmaßnahmen wie Kapitalkontrollen sind im neoliberalen Regelwerk von TiSA nicht mehr vorgesehen.

Einige Punkte des TiSA-Textes zu Finanzdienstleistungen kennen wir schon von TTIP und CETA. Zum Einen ist hier der regulatorische Rat zu nennen, in dem Finanzdienstleistungsunternehmen vor jeder Regulierung des Finanzsektors befragt werden müssen, ob die Regulation ihre Geschäftstätigkeit einschränkt. Diese Beratung kostet vor allem wertvolle Zeit. Zum Anderen besteht auch die Pflicht, Regulierungen weiter nach unten zu "harmonisieren" oder liberalere Regeln aus anderen Staaten als gleichwertig anzuerkennen. Somit ist mit TiSA ein "Race to the bottom" mit immer schwächeren Standards weltweit vorprogrammiert.

Öffentliche Beschaffung

Ein wichtiger Aspekt der TiSA-Verhandlungen ist die öffentliche Beschaffung, die ebenfalls in einem eigenen Anhang geregelt ist. Die Besonderheit dieses Bereiches liegt darin, dass er nicht Teil des GATS-Abkommens war, sondern ein eigenes "Government Procurement Agreement" (GPA) in der WTO betrifft, dem weit weniger Staaten beigetreten sind. Da öffentliche Beschaffung einen Großteil des weltweiten BIP ausmacht und in den meisten Staaten der Erde noch deutliche Vorteile für öffentliche oder lokale Anbieter*innen existieren, sind die Profitmöglichkeiten durch eine Liberalisierung besonders groß.

Öffentliche Beschaffung unterliegt wie alle Bereiche im TiSA-Abkommen einer strengen Liberalisierung. Dienstleistungen, die unter TiSA einmal dem Markt geöffnet worden, können nicht mehr unter die bisherige Marktkontrolle der Staaten gebracht werden. Sowohl Marktzugangsbeschränkungen nicht-lokaler Anbieter*innen als auch Preispräferenzen für lokale Unternehme wären unter TiSA verboten. Damit wird auch für zukünftige Regierungen die Möglichkeit genommen, über öffentliche Auftragsvergaben Wirtschaftspolitik zu betreiben. Die ohnehin schwachen Ausnahmeklauseln für hoheitliche Aufgaben, die im GATS enthalten sind, sollen mit TiSA wegfallen. Somit wären alle Bereiche des Staates der Privatisierung unterworfen.

Transparenz?

Die Diskussionen um TTIP und CETA haben gezeigt, dass Transparenz in Handelsverhandlungen für deren öffentliche Wahrnehmung entscheidend ist. Tatsächlich enthält der TiSA-Text einen Anhang zu Transparenz. Doch die "Really good Friends of Services" verstehen etwas ganz anderes unter Transparenz als es sich die Zivilgesellschaft wünschen würde. Während die Verhandlungen zu TiSA völlig geheim ablaufen (die Verhandlungsparteien haben sich bereits zusichern lassen, dass ihre Verhandlungsdokumente und der TiSA-Text noch 5 Jahre nach dem Inkrafttreten von TiSA geheim bleiben) und nur durch Leaks an die Öffentlichkeit gelangen, soll Konzernen unter TiSA ein exklusiver Zugang zum Gesetzgebungsprozess eingeräumt werden.

Tritt TiSA in der jetzigen Form in Kraft, müssen alle Gesetzesentwürfe oder Regierungsentscheidungen mit 60-tägiger Vorlauffrist an die anderen TiSA-Staaten sowie interessierte Unternehmen gegeben werden. Diesen wird die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt, ob die vorgeschlagenen Gesetze den Handel mit Dienstleistungen einschränken. Auf diese Stellungnahmen müssen Regierungen antworten, bevor sie Gesetze beschließen können. Da die Anzahl möglicher Einwände durch Firmen und Staaten unbegrenzt ist, würde dieses Prozedere demokratische Prozesse entscheidend verlangsamen. Die USA und Australien fordern gar ein "Tribunal", das über die Zulässigkeit von Gesetzen anhand ihrer Auswirkungen auf den Handel mit Dienstleistungen entscheiden soll, und demokratische Prinzipien wohl vollends über Bord werfen würden.

Werden die Konzerne einer ähnlichen Transparenzverpflichtung wie die Regierungen unterworfen sein? Damit ist nicht zu rechnen. Stattdessen fordert etwa die Schweiz, breit angelegte Bestimmungen zu "Geschäftsgeheimnissen" in TiSA aufzunehmen, die Firmen vor dem behördlichen Zugriff auf ihre Daten schützen soll. Ob diese Forderung ein Weg ist, das de facto abgeschaffte Bankgeheimnis der Schweiz und somit den Status als Steueroase über die Hintertür TiSA wiederherzustellen, lässt sich noch nicht mit Sicherheit sagen. Ob die Schweiz mit ihrem Vorschlag erfolgreich sein wird, ist ebenfalls offen. Fest steht, dass keine Erhöhung von Transparenzverpflichtungen für Unternehmen diskutiert werden.

Fazit

Bereits dieser kurze Ausschnitt aus dem Verhandlungsstand zu TiSA zeigt: dieses Abkommen hat das Potenzial, demokratische Prozeduren und sinnvolle Regulierungen des Dienstleistungssektors auszuhebeln. Wer zu recht Widerstand gegen TTIP und CETA leistet, muss deshalb auch über TiSA reden. Es ist an der Zeit, dieses Abkommen ins Bewusstsein der Anti-TTIP-Bewegung und schließlich auch der Öffentlichkeit zu rücken! Es zu stoppen ist aufgrund der höheren Anzahl von Verhandlungsparteien wohl noch schwieriger und wird einiges an Vorlaufzeit benötigen. Packen wir es an!

Freitag, 9. Januar 2015

10 Jahre Hartz-4: Zeit für eine Abrechnung!

Der Jahresbeginn 2015 markiert das 10-Jährige Jubiläum der vierten Stufe der Hartz-Reformen. In diesen 10 Jahren hat der Name Hartz-4 einen hohen Symbolgehalt erlangt. Je nach Milieu und politischer Ausrichtung steht Hartz-4 für eine beispiellose wirtschaftliche Erfolgsgeschichte, die Prekarisierung des deutschen Arbeitsmarktes, eine Subventionierung von Faulheit oder die eigenen Existenzschwierigkeiten und –Ängste.  Das Gesetz ist, neben der Einführung der Riesterrente, der mit Abstand größte politische Fehler der Rot-Grünen Bundesregierung Schröder. Anlass genug, sich zum 10. Jahrestag der Reform genauer mit seinen Auswirkungen auf Deutschland und Europa zu beschäftigen. Eine Polemik:

Auswirkungen der Reform auf das soziale Zusammenleben

Häufig beschränkt sich die öffentliche Debatte über die Hartz-Reformen entweder auf den sozialen oder den wirtschaftlichen Aspekt. Dabei wird außer Acht gelassen, wie stark diese Dimensionen zusammenwirken. Da Hartz-4 eine sozialpolitische Reform war, ist es sinnvoll, zunächst die Auswirkungen des Gesetzes auf das soziale Zusammenleben zu betrachten. Ein Großteil der wirtschaftlichen Folgen der Reform ergibt sich aus dem sozialen Umbruch, der sich im Zuge der Hartz-Reformen vollzog.

Hartz-4 markiert, wenn wir die Typologie von Ingrid Hohenleitner und Thomas Straubhaar [1] verwenden, den Übergang des konservativen deutschen sozialen Sicherungssystems in ein liberales Sicherungssystem. Im Fokus der sozialstaatlichen Überlegungen steht nicht mehr die bedarfsgerechte Abdeckung des Existenzminimums, sondern die ständige Suche nach „Leistungsgerechtigkeit“. Der Begriff der Leistungsgerechtigkeit befindet sich in Anführungszeichen, da weder unentgeltlich geleistete ehrenamtliche Arbeit, noch Fürsorgearbeit, noch andere Arbeiten, die nicht auf einem Markt gehandelt werden, im liberalen Leistungsverständnis als Leistung gelten. Im Hartz-System gilt lediglich als unterstützenswert, wer sich dem Vermittlungssystem unterwirft und jede „zumutbare“ Beschäftigung annimmt.

Welche Beschäftigung als „zumutbar“ gelten darf, liegt selbstverständlich nicht in der Bewertungskompetenz der Betroffenen, sondern im Zuständigkeitsbereich des Jobcenters. Diese Arbeitsagenturen, die durch ihre Sanktionspraktiken über die existenzielle Zukunft ihrer „Kund*innen“ entscheiden, sind denkbar menschenfeindlich organisiert. Die Aufgabe der Betreuer*innen ist nicht etwa, eine zufriedenstellende Beratung der Arbeitssuchenden sicherzustellen, sondern die Erfüllung von Vermittlungsquoten. Mit jeder Vermittlung in Zeitarbeit oder in häufig sinnlose Qualifizierungsangebote ist eine erwerbslose Person aus der Arbeitslosenstatistik entfernt. Die jeweiligen Bundesregierungen können sich mit den gesunkenen Arbeitslosenzahlen rühmen, während die Mehrzahl der Menschen den Preis dafür zahlen muss.

Die Mehrzahl der Menschen? Treffen die Hartz-Gesetze nicht „nur“ Erwerbslose und Menschen, die in prekäre Beschäftigung vermittelt wurden? Weit gefehlt! Eine derart starke Prekarisierung großer Teile der Bevölkerung lässt natürlich auch die Mittelschicht nicht kalt. Denn wer noch nicht im Kreislauf der Prekarisierung gefangen ist, muss jederzeit damit rechnen, erwerbslos zu werden und den sozialen Anschluss zu verlieren.

Diese Überlegung führt uns zum von Hartz-4 angestoßenen Bewusstseinswandel. Während Erwerbslosigkeit früher stärker (wenn auch nicht vollständig) als zufälliger Rückschlag im kapitalistischen Wettbewerb, den das Individuum nur begrenzt beeinflussen kann, begriffen wurde,  befinden wir uns nun im Zeitalter des Neoliberalismus, in dem jeder Mensch Unternehmer*in seiner*ihrer Selbst ist. Die Bedingungslose Anpassung an die Bedürfnisse des Marktes ist das neue Ideal. Wer nicht mitmachen will, soll auch nicht essen dürfen. Wer dem „kranken Mann Europas“ auf die Beine helfen und „Exportweltmeister“ werden will, soll dafür persönliche Opfer erbringen, so die fast einhellige Meinung der politischen Feuilletonisten.

Besonders erschreckt der große Erfolg, den die Koordinierte Entsolidarisierung der Gesellschaft zeitigte. Frei nach dem Motto „nach oben buckeln, nach unten treten“ wandte die deutsche Bevölkerung ihre Wut nicht gegen die Reformen, sondern schloss sich den Hetzkampagnen der Springerpresse und der privaten TV-Sender gegen „Sozialschmarrotzer“ an. Beispielhaft hierfür sind die große Popularität der Berichterstattung über „Deutschlands frechsten Arbeitslosen“ [2] sowie die Entstehung des Fernsehgenres „Assi-TV“ zu nennen. Der „Hartzer“ wurde so nach und nach des Deutschen liebstes Lach- und Hassobjekt. 

Doch nicht nur Erwerbslose sind vom gesellschaftlichen Hassklima betroffen. Da Armut nun stärker als je zuvor als persönliche Verfehlung definiert wird, erhält die Debatte um „Armutszuwanderung“ neuen Aufschwung. Die Logik dahinter: Wer arm ist, ist arm, weil er*sie ein schlechter Mensch ist. Kommen schlechte Menschen zu „uns“, nehmen sie uns unser Geld und machen uns arm. Rassismus und Sozialdarwinismus ergänzen sich hier perfekt. Auch wenn die wirtschaftliche Situation von Menschen nicht der Auslöser von Rassismus ist (dieses Phänomen existiert leider auch in „guten Zeiten“ zur Genüge), so ist Ungleichheit definitiv ein begünstigender Faktor für Agressionsverschiebungen auf benachteiligte Gesellschaftsgruppen. [3]

Wirtschaftliche Auswirkungen

Die Hartz-Reformen veränderten die Binnenkonjunktur Deutschlands und der EU nachhaltig. Entscheidend sind dabei nicht neu geschaffene Jobs (die sich häufig als Aufteilung sozialversicherungspflichtiger Arbeit in Minijobs und Scheinselbständigkeiten entpuppten [4]), sondern eine gravierende Veränderung in der Verhandlungsposition von Arbeitnehmer*innen. Wie im letzten Kapitel angemerkt, sorgt das Hartz-System bei Erwerbslosen für Zwang, jede Arbeit anzunehmen, und bei Beschäftigten für Verlustängste, die jede Verschlechterung der Arbeitsbedingungen als verkraftbar erscheinen lassen. Des Weiteren wirkt die gesellschaftliche Betrachtung des Menschen als Humankapital, das selbst schuld ist, wenn es sich nicht genügend weiterentwickelt und den Anschluss verpasst, erstickend auf jeden Versuch der kollektiven Organisation von Arbeitnehmer*inneninteressen.

Somit sind sowohl aus soziologischer als auch psychologischer und materieller Sicht die Verhandlungspositionen der Arbeiter*innen massiv gesunken. Die Folgen sind ein rapider Rückgang der Gewerkschaftsmitgliedschaften [5] und eine Zurückhaltung bezüglich Arbeitskampfmaßnahmen. Streiks sind in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eine Seltenheit. Die ohnehin niedrig angesetzten Lohnforderungen werden durch zu niedrige Hartz-4-Regelsätze, die für eine niedrigere Inflation sorgen, nicht gerade positiv beeinflusst. Die Folge dieser Reformbedingten Entwicklungen: im Vergleich zum Rest der EU steigen die Löhne in Deutschland nur sehr langsam. [6]

Die zurückhaltende Lohnentwicklung in Deutschland wirkt sich auf mehreren Kanälen auf die Wettbewerbsdynamik im Euroraum aus. Da die Möglichkeit der Währungsabwertung im Euroraum nicht mehr besteht, sind Firmen in anderen Euroländern gezwungen, ihre Lohnstückkosten weiter zu senken, um im Vergleich zu Deutschland konkurrenzfähig zu bleiben. Die deutsche Sozialpolitik erzeugt einen deflationären Druck in den anderen Eurostaaten, der in einigen Staaten der Peripherie bereits seit mehr als einem Jahr zu fallenden Preisen führt [7]. Die Volkswirtschaftlichen Folgen fallender Preise sind hinlänglich bekannt: Investitionen bleiben aus, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sinkt, Firmen müssen die Preise ihrer Produkte weiter senken und entlassen Beschäftigte, was wiederum die Nachfrage- und Preisentwicklung dämpft. Wir befinden uns in einer klassischen Deflationsspirale, die jede Chance auf eine Erholung nach der Finanzkrise zunichtemacht.

„Finanzkrise“ ist ein gutes Stichwort für die finanzpolitischen Auswirkungen der Hartz-Reformen. Da Real- und Finanzsektor untrennbar miteinander verknüpft sind, bleiben Investitionsentscheidungen von sozialpolitischen Entwicklungen nicht unverschont. Sinkende oder nur langsam steigende Reallöhne verursachen aufgrund ihrer Umverteilungswirkung von unten nach oben unweigerlich ein Nachfragedefizit. Wer wenig Geld besitzt, hat schließlich weniger Möglichkeiten, selbiges zu horten oder in unproduktive und häufig destabilisierende Vermögensinvestitionen (zum Beispiel Immobilienspekulationen) anzulegen. Deshalb bildet eine relativ gut situierte Mittel- und Unterschicht das Rückgrat einer kapitalistischen Volkswirtschaft. Ist die stützende Nachfrage in der Breite der Gesellschaft durch Lohnzurückhaltung und mangelhafte Sozialleistungen erloschen, sind produktive Investitionen weniger lukrativ als Spekulationen auf Vermögensobjekte. Direkte öffentliche Investitionen könnten diesen Rückgang höchstens unvollständig ausgleichen. Doch im Zuge der neoliberalen Staatsfeindlichkeit werden auch sie weiter zurückgefahren.

Nicht nur Bilanztechnisch ist ein Exportüberschuss wie in Deutschland immer mit einem Kapitalexport verbunden. Auch sachlogisch ist nicht verwunderlich, dass überschüssige deutsche Ersparnisse vor allem in Staaten flossen, die noch eine funktionierende Binnenkonjunktur hatten. Somit war es auch deutsches Geld, das den Immobiliensektor in Spanien oder den Bankensektor in Irland über jegliches tragbares Maß hinaus aufpumpte und die Wirtschafts- und Finanzkrise in Europa mitverursachte. In Investor*innenkreisen hat sich für dieses Phänomen das geflügelte Wort „dumb german money“ [8] eingebürgert. Wäre die Nachfrage in Deutschland nicht durch Hartz-4 gedrückt worden, hätte die Blasenbildung an den Finanzmärkten wenigstens teilweise gemindert werden können.

Fazit und Ausblick

10 Jahre nach dem Abschluss der Hartz-4 Reformen lässt sich konstatieren: sie haben Deutschland und Europa zu einem schlechteren Ort gemacht. Während die Erwerbslosenzahlen in Deutschland zurückgehen, öffnet sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter. Mit seiner aggressiven Lohndumpingspolitik exportiert Deutschland seine Arbeitslosigkeit in andere Euroländer und verschärft die wirtschaftlichen Krisen dort.

Doch statt aus der Erfahrung mit Hartz-4 zu lernen, feiern große Teile der deutschen Politik die Reform als Erfolg. Sowohl die SPD als auch die Grünen haben sich bisher lediglich halbherzig davon distanziert und fordern Nachbesserungen im Detail (etwa ein Sanktionsmoratorium), die den Grundgedanken (und Grundfehler) „fördern und fordern“ nicht antasten. Für progressive Alternativen der sozialen Sicherung wie die eines Bedingungslosen Grundeinkommens fehlt jeglicher gesellschaftlicher Wille. So bleibt 10 Jahre nach Hartz-4 auch zu konstatieren, dass uns dieses entmündigende System wohl noch eine Weile erhalten bleiben wird. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, weiter offensiv für linke Alternativen zum neoliberalen Gesellschaftsbild zu werben. Das „Jubiläum“ von Hartz-4 bietet schließlich eine gute Gelegenheit, das Thema erneut auf die Tagesordnung zu setzen.



Endnoten (alle Links aufgerufen am 5.1.2015):

[2]: für eine kritische Darstellung siehe http://www.bildblog.de/1952/verarschen-kann-bild-uns-alleine/
[3]: vgl. Richard Wilkinson, Kate Pickett, 2009. Gleichheit ist Glück: Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind. Tolkemitt Verlag, Berlin, S.194.
[5]: vgl. Mareike Alscher, u. a., 2009: Bericht zur Lage und zu den Perspektiven des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland, Berlin, S. 53.
        [7]: Kerstin Bernoth, Marcel Fratzscher, Philipp König, “Schwache Preisentwicklung und Deflationsgefahr im Euroraum: Grenzen der konventionellen Geldpolitik.” DIW, 2014.

Donnerstag, 4. Dezember 2014

Der Platz in der Mitte: Folgen des "Asylkompromisses" für die politische Strategie der Grünen

Der von Winfried Kretschmann unterstützte "Asylkompromiss" ist eine Zäsur der grünen Asylpolitik. Während die Bundespartei auf ihrem "Freiheitskongress" über das Verhältnis von Staat und Einwohner*innen und das grüne Freiheitsverständnis diskutierte, schränkte der Baden-Würtembergische Ministerpräsident die Freiheit vieler Menschen entscheidend ein. Allen Positionen der Bundesebene widersprechend beschloss ein grüner Ministerpräsident die Aushöhlung des Grundrechts auf Asyl. Besonders fatal ist, dass er damit einer antiziganistischen Kampagne der bürgerlichen Parteien gegen "Armutszuwanderung" ihren größten Erfolg bescherte.

Ich halte es für völlig unangebracht, Leib und Leben unterdrückter Menschen gegen partei- und machtpolitische Kalkulationen auszuspielen. Trotzdem möchte ich euch den folgenden Essay, der im Rahmen meines politikwissenschaftlichen Studiums entstanden ist, nicht vorenthalten. Er beschreibt den Kompromiss inhaltlich und analysiert die parteipolitischen Konsequenzen des Vorfalls. Dabei komme ich zum Ergebnis, das die Oppositionsfähigkeit der Grünen im Bundesrat durch die Entscheidung deutlich eingeschränkt wird. Da ich in diesem Text natürlich so neutral wie möglich vorgehen wollte, möchte ich vorher noch deutlich herausstellen, dass der Beschluss in jedem Fall negativ zu bewerten ist und parteipolitische Überlegungen in solchen Fragen keine Rolle spielen sollten.

Viel Spaß beim Lesen und kommentieren!


--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Die als „Asylkompromiss“ bezeichneten Entscheidungen des Bundesrats am 19. September 2014 haben zu einer kontroversen Debatte innerhalb der Partei Bündnis 90/Die Grünen (im Folgenden „Grüne“ oder „Die Grünen“) geführt. Der Grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte dem Kompromissvorschlag der Bundesregierung zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes zugestimmt und dem zustimmungspflichtigen Gesetz damit die erforderliche Mehrheit im Bundesrat verschafft. In der darauf folgenden öffentlich geführten innerparteilichen Debatte wurde Kretschmann für diese Entscheidung scharf kritisiert. So wird zum Beispiel der grüne Innenpolitiker Volker Beck mit den Worten zitiert: „Heute wurde das Menschenrecht auf Asyl für einen Appel und ein Ei verdealt“ [1]. Diese, auch von vielen anderen grünen Spitzenkräften geäußerte, Kritik zielt darauf ab, dass die Zugeständnisse der Bundesregierung zu gering seien, um eine Zustimmung seitens der Baden-Würtembergischen Landesregierung zu rechtfertigen.

Der folgende Essay ergründet, was der „Asylkompromiss“ für die zukünftige strategische Ausrichtung der Grünen bedeutet. Dazu werde ich zunächst einen Überblick über die relevanten Positionen im Koalitionsvertrag der Bundesregierung geben und diese mit dem tatsächlich beschlossenen Kompromiss vergleichen, um ein Verständnis für den Inhalt der getroffenen Entscheidung zu schaffen. Im Anschluss untersuche ich verschiedene mögliche strategische Implikationen für die Grünen auf ihre Plausibilität. Diese Analyse ist angesichts der räumlichen Beschränkung des Essays nicht erschöpfend möglich. Dennoch können die von mir gewonnenen Erkenntnisse einen Beitrag zur wissenschaftlichen Betrachtung des Falls und seiner innerparteilichen strategischen Aufarbeitung liefern.

Inhalt des Gesetzespakets

Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD für die aktuelle Bundestagswahlperiode enthält einige Passagen zu Fragen des Asylrechts. Im Folgenden beschreibe ich die für den „Asylkompromiss“ relevanten Positionen im Koalitionsvertrag und stelle sie den Inhalten des Kompromisses vergleichend gegenüber.

Eine Kernfrage der Debatte um den „Asylkompromiss“ ist die Klassifizierung der Staaten Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und Serbien als „sichere Herkunftsstaaten“. Die Bezeichnung hat zur Folge, dass Asylanträge von Menschen aus den genannten Staaten leichter als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden können [2]. Das vom Bundesrat gebilligte Gesetz [3] enthält diese Forderung aus dem Koalitionsvertrag [4].

Des Weiteren beinhaltete der „Asylkompromiss“ eine bereits im Koalitionsvertrag ([4], S.77) geforderte Reduktion des Arbeitsverbots für Asylsuchende auf drei Monate [3]. Da der „Inländervorrang“, welcher für die ersten fünfzehn Monate des Aufenthalts eine Vorrangprüfung verlangt und somit für die Arbeitserlaubnis der Asylsuchenden ein Fehlen geeigneter Deutscher Bewerber*innen voraussetzt, weiterhin besteht, ist die Wirkung der Regelung stark vom Einzelfall abhängig.

Veränderungen zwischen Koalitionsvertrag und „Asylkompromiss“ bestehen an zwei Punkten. Die im Koalitionsvertrag ([4], S.77) festgeschriebene Lockerung der Residenzpflicht wird erweitert. So werden Asylsuchende sich in Zukunft nicht nur, wie im Koalitionsvertrag gefordert, in ihrem Bundesland, sondern im gesamten Bundesgebiet frei bewegen können [5]. Weiterhin konnte eine Entlastung der Kommunen über die „Kommunalträger-Abrechnungsverwaltungsvorschrift“ verhandelt werden. Beamt*innen, die an Verwaltungstätigkeiten für die Grundsicherung für Arbeitssuchende beteiligt sind, werden nun zu 35% vom Bund finanziert. Vorher betrug die Kofinanzierung 30%. Die Veränderung war im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen und kann, ähnlich wie die Lockerung der Residenzpflicht, als Zugeständnis der Bundesregierung gewertet werden.

Die Bewertung der erreichten Zugeständnisse ist inhärent politisch und übersteigt die Zielsetzung dieses Essays. Um die Bewertung für politische Entscheidungsträger*innen zu vereinfachen, möchte ich dennoch an dieser Stelle zu bedenken geben, dass Entlastungen der kommunalen Finanzen im Zuge der Neuverhandlungen der föderalen Finanzbeziehungen wahrscheinlich sind und die tatsächliche Wirkung der erhöhten Kofinanzierung vor diesem Hintergrund einer kritischen Betrachtung bedarf.

Strategische Implikationen

Der „Asylkompromiss“ hat das Potenzial, eine Neuausrichtung der grünen Strategie zu begründen. Diese Implikationen untersuche ich im Folgenden kurz vor dem Hintergrund der Koalitionsfähigkeit sowie der Oppositionsfähigkeit auf Bundesebene.

Parteienforscher*innen wie Marc Debus stellen in ihren Analysen der Koalitionsbildung fest, dass Koalitionen zwischen ideologisch ähnlichen Parteien eine höhere Entstehungschance aufweisen [6]. Vor diesem Hintergrund kann die Entscheidung Kretschmanns als Vorbereitung einer Schwarz-Grünen Koaltion auf Länderebene interpretiert werden. Dies hat auch für die zukünftigen Koalitionsoptionen auf Bundesebene Bedeutung. Während die Befürworter von Schwarz-Grün innerparteilich gestärkt aus dem Konflikt hervorgehen sollten, wächst die ideologische Distanz zwischen Grünen und der Linkspartei, die dem Kompromiss durchweg ablehnend gegenüberstand, weiter an. Ob der Asylkompromiss die Chance einer Grünen Regierungsbeteiligung im Ergebnis erhöht hat, oder der grüne Richtungskampf zu einer akuten Regierungsunfähigkeit der Partei führt, kann hier nicht beantwortet werden und verlangt weitere Forschungsarbeit.


Für die weitere Handlungsfähigkeit der Grünen als Oppositionspartei auf Bundesebene wurde mit dem Asylkompromiss eine Hürde geschaffen. Da es den Grünen nicht gelungen ist, eine Bundesratsmehrheit gegen das auf Bundesebene abgelehnte Kompromisspaket zu organisieren, werden sie auch in Zukünftigen Gesetzgebungsprozessen keine glaubhafte Drohung eines Bundesratsvetos aussprechen können. Die Bundesratsmehrheit hat sich von einer Oppositionsmehrheit zu einer unsicheren Mehrheit entwickelt. Der aus Oppositionssicht positive Effekt, dass Bundesregierungen politische Konfrontationen mit klaren Oppositionsmehrheiten im Bundesrat vermeiden und sich stattdessen auf konsensuale Gesetze beschränken [7], besteht nun nicht mehr. Somit hat der „Asylkompromiss“ negative Folgen für die Oppositionsfähigkeit der Grünen auf Bundesebene.


[1] vgl. Gathmann, Florian: „Grüner Streit über Asylkompromiss: Kretschmann, der Sündenbock“, Spiegel Online, 19.09.2014, http://www.spiegel.de/politik/deutschland/asylkompromiss-koalition-gerettet-gruene-in-not-a-992643.html , aufgerufen am 04.12.2014
[2] vgl. http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2014/asylrecht/281460 , aufgerufen am 04.12.2014
[3] vgl. Bundestagsdrucksache 18/1528, S.7
[4] vgl. „Deutschlands Zukunft gestalten“ – Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, S.76
[5] vgl. Preuß, Roland: „So sieht der Asylkompromiss aus“, Süddeutsche Zeitung Online, 19.09.2014, http://www.sueddeutsche.de/politik/herkunftsstaaten-und-residenzpflicht-so-sieht-der-asylkompromiss-aus-1.2137533 , aufgerufen am 04.12.2014
[6] vgl. Debus, Marc: „Party Competition and Government Formation in Multilevel Settings: Evidence from Germany“ in Government and Opposition, Band 43, Ausgabe 4, 2008, S.534
[7] vgl. Manow, Philip; Burkhart, Simone: “Legislative self-restraint under divided Government in Germany, 1976-2002” in Legislative Studies Quarterly, Band 32, Ausgabe 2, 2007,  S.183

Dienstag, 30. September 2014

Erbschaftsteuer: Perspektiven für eine progressive Reform

Die Erbschaftsteuer ist ein wenig beachtetes politisches Steuerungsinstrument. Ihre Bedeutung für das Gesamtsteueraufkommen in Deutschland ist mit ca. 4-5 Milliarden € jährlich gering. Trotz dieser niedrigen Belastungen von Erben in Deutschland wird jeder Forderung um eine Erhöhung der Erbschaftsteuer oder eine Verbreiterung ihrer Bemessungsgrundlage sehr emotional begegnet. Das ist nicht unverständlich, stellt der Tot eines geliebten Menschen schon ohne Erbschaftssteuer eine große psychische Belastung da. Der Gedanke, die Erinnerung an die Verstorbenen (etwa in Form eines Familieneigenheims oder traditioneller Schmuckstücke) versteuern zu müssen und dadurch vielleicht zu verlieren, ist für viele bereits in der Zeit vor dem Ernstfall nicht zu ertragen. Auch wenn diese Angst in Anbetracht der diskutierten Freibeträge jeder sachlichen Grundlage entbehrt, muss sie in der Debatte ernst genommen werden. Ich hoffe, mit diesem Beitrag die Diskussion in der Öffentlichkeit und Parteiintern ein Stück in eine sachlichere Richtung zu lenken.

Wieso Erbschaftssteuern?

Wieso halte ich die Erbschaftssteuer (genauer „Erbschaft- und Schenkungssteuer“) trotz ihrer geringen fiskalischen Effekte für einen wichtigen Aspekt von Steuergerechtigkeit? Die Antwort ist simpel: weil sie die einzige Steuer ist, die sowohl mit linken als auch liberalen Argumenten begründet werden kann und damit ein großes Akzeptanzpotenzial bietet. Aus linker Sicht ist die Umverteilung von Vermögen ein wichtiger Beitrag zu Gerechtigkeit und Gemeinwohl. Diese Feststellung ist trivial und muss hier nicht weiter ausgeführt werden [1].
Realpolitisch interessanter ist die liberale Argumentationsmöglichkeit für die Steuer. Denn wer ernsthaft behauptet, ihm*ihr liege die „Leistungsgerechtigkeit“ (im liberalen Duktus natürlich rein auf Erwerbsarbeitsleistung fixiert) am Herzen, wird Erbschaften und Schenkungen als leistungsloses Einkommen ablehnen. Sie haben nichts mit der liberalen kapitalistischen Ordnung zu tun, sondern sind ein Überbleibsel aus der feudalen Gesellschaft, in der Reichtum noch stärker als heute durch Herkunft bestimmt war. Auch heute gilt für die Erbschaft: wer hat, dem*der wird gegeben. So konstatiert das deutsche Institut für Altersvorsorge in der 2011 erschienenen Studie „Erben in Deutschland“, dass „die Höhe der Erbschaft mit dem Einkommen [steigt].“ [2]. Neben der marktliberalen „Leistungsgerechtigkeit“ kann also auch die linksliberale „Chancengerechtigkeit“ nicht für die Legitimation von Erbschaften dienen. Was liegt näher, als die ohnehin notwendige Finanzierung des Staates in stärkerem Maße durch eine Steuer auf Erbschaften und Schenkungen sicherzustellen?

Warum ist das Thema aktuell?

Die Erbschaftssteuerdiskussion kocht momentan durch mehrere Ereignisse erneut hoch. Das relevanteste davon ist sicherlich das erwartete Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches die enormen Vergünstigungen von 85 bzw. 100% auf Betriebsvermögen für verfassungswidrig erklären dürfte. Außerdem hat die Grüne Bundestagsfraktion jüngst eine Studie über mögliche Umgestaltungen der Erbschaftssteuer erstellen lassen, um die im Bundestagswahlkampf geforderte Verdopplung des Erbschaftssteueraufkommens mit einem handfesten Konzept zu hinterlegen. Da ich die DIW-Studie in diesem Post häufig zitiere, beziehen sich alle im Text folgenden Seitenangaben auf sie.
Das Ergebnis der Studie hat Kathrin-Göring Eckhardt – zur Überraschung vieler Grüner Finanzpolitiker*innen – dazu veranlasst, die geforderte Erhöhung in einem Interview mit dem Handelsblatt als unmachbar zu stilisieren. Ich gehe in diesem Post nicht auf die berechtigte Kritik an der unterschätzten Steuerbasis der DIW-Studie ein (siehe zum Beispiel http://www.nachdenkseiten.de/wp-print.php?p=22310 ). Stattdessen argumentiere ich, dass auch auf Grundlage der DIW-Daten ein zufriedenstellendes und realpolitisch durchsetzbares Erbschaftsteuerkonzept entwickelt werden kann. Dazu stelle ich zunächst theoretische Überlegungen zu wünschenswerten Erbschaftsteuerkonzepten auf, betrachte relevante Gütekriterien und wende sie im Anschluss exemplarisch auf Beispielkonzepte aus der DIW-Studie an.

Bausteine eines Erbschaftssteuerkonzepts

Freibeträge

Die Wahl der Freibeträge ist für das Erbschaftsteuerkonzept entscheidend. Dabei lassen sich die Verwandtschaftsabhängigkeit, die Höhe der persönlichen Freibeträge und der Unternehmensfreibeträge unabhängig voneinander bewerten und abwägen.
Im heutigen Erbschaftsteuerrecht werden Freibeträge abhängig vom Verwandtschaftsverhältnis zwischen Erb*innen und Erblasser*innen in unterschiedlicher Höhe gewährt. Diese Regelung ist aus mehreren Gründen problematisch. Auf der normativen Ebene widerspricht die einseitige Bevorzugung von engen Verwandten dem liberalen Staat. Die Entscheidung, wer welchen Teil eines Vermögens erbt, sollte von den Erblasser*innen selbst bestimmt und nicht durch das Steuersystem beeinflusst werden (zwar ist eine Steuerung politisch gewünschter Ereignisse durch Steuern durchaus sinnvoll. Im konkreten Fall ist dies jedoch eine nicht verhältnismäßige Privilegierung traditioneller Familienstrukturen. Ein Pflichtanteil am Erbe für nahe Angehörige reicht völlig aus, um ihre Existenz dauerhaft zu sichern). Auch aus ökonomischer Sicht ist die Anreizwirkung der Statusabhängigen Freibeträge zu kritisieren. Unternehmer*innen könnten bei ihrer Nachfolgeentscheidung ihre engen Verwandten bevorzugen, um von den Freibeträgen zu profitieren. Ob diese jedoch die richtigen für die daraus entstehende Verantwortung sind, muss bezweifelt werden [3]. Das Problem der Fehlallokation ist ein generelles Problem der Erbanfallsteuer, die auf mehrere Personen verteilte Erbschaften begünstigt. Leider wurde die aus dem angelsächsischen Raum bekannte Nachlasssteuer, die dieses Problem durch einen auf das Erbe angewandten Freibetrag lösen kann, nicht im DIW-Gutachten untersucht, sodass die später vorgestellten Ansätze diesen vielversprechenden Ansatz außen vor lassen. Realpolitisch könnte eine Entkopplung von Verwandtschaftsgrad und Freibeträgen zu Widerstand führen, da die Steuerstruktur signifikant verändert wird. Da Menschen jedoch in unterschiedlichen Erbfällen in verschiedenen Rollen auftreten, ist dieser Effekt zunächst reine Spekulation und vermutlich begrenzt.
Die Höhe der Freibeträge ist eine schwer abzuwägende Fragestellung bei der Konzeption eines Erbschaftsteuerrechts. Höhere Freibeträge dürften im Allgemeinen die Erhebungskosten der Steuern absolut reduzieren, da weniger Vermögenswerte erhoben und bewertet werden müssen. Ob dieser Effekt durch eine häufigere Bewertung nicht steuerpflichtiger Vermögenswerte zur Reduktion von Unsicherheit wett gemacht wird, kann ich anhand der mir vorliegenden Studien zur Steuer nicht beurteilen. Fest steht, dass höhere Freibeträge sowohl kleine als auch große Erbschaften entlasten, aber auch geringere Einnahmen in Aussicht stellen. Bei Freibeträgen auf Betriebsvermögen muss des Weiteren bedacht werden, dass kleinere Unternehmen in der Regel schwieriger zu veräußern sein sollten als große Unternehmen. Deshalb sollten sie von der Steuer ausgenommen werden. Insgesamt sind sowohl bei den persönlichen Freibeträgen (welche im Übrigen nicht mehr nach 10 Jahren erneuert [4] werden sollten, um Steuervermeidung einzudämmen) als auch bei Freibeträgen auf Betriebsvermögen moderate Freibeträge sinnvoll, um eine angemessene Berücksichtigung der verschiedenen Argumentationslinien zu gewährleisten.

Begrenzung Unternehmenssteuerlast

Viele Vorschläge des DIW-Gutachtens verwenden Höchstgrenzen, bis zu denen Betriebsvermögenssteuersätze ansteigen können. Da die Angst vor Insolvenzen aus Substanzbesteuerung ungeachtet jeglicher empirischer Evidenz [5] die öffentliche Debatte bestimmt, werden diese realpolitisch wohl nicht zu vermeiden sein. Ich plädiere für eine möglichst hohe Grenze, um eine relevante Besteuerung von Betriebsvermögen und eine angemessene Progression zu ermöglichen. Ebenfalls bedenkenswert wären Varianten, in denen ein Teil der Steuerschuld dadurch vermindert wird, dass entsprechende Anteile am Unternehmen an die Mitarbeiter*innen abgegeben werden. So können Liquiditätsprobleme vermieden werden und nebenbei wird das gesamtgesellschaftliche Produktivvermögen wirksam umverteilt und unter Umständen demokratisiert. Inwiefern derartige Übergaben über Zwangskapitalisierungen oder Anteilsverkäufe abgewickelt werden und welche demokratischen Rechte der Belegschaft daraus erwachsen (hier wären sowohl genossenschaftliche als auch am Kapital bemessene Organisationsmodelle denkbar), muss noch eingehender diskutiert werden und würde den Umfang dieses Posts sprengen.

Steuersätze

Steuersätze können nur komplementär zu Freibeträgen diskutiert werden. Schließlich benötigen hohe Freibeträge auch hohe Steuersätze, wenn das Einnahmeziel erreicht werden soll. Analog ermöglicht eine breite Bemessungsgrundlage niedrigere Steuersätze. Die von mir aus Umverteilungsgründen als wünschenswert erachtete Progression lässt sich ebenfalls entweder de facto durch hohe Freibeträge oder direkt durch progressive Steuersätze sicherstellen. Hier wird politisch zu bewerten sein, inwiefern ein einfacher, flacher Steuersatz die entgangene Progressionswirkung und damit die höhere Belastung niedriger Erbschaften aufwiegt. Da diese Frage vor allem eine der politischen Strategie ist und mir keine Studien zur subjektiven Bewertung von einfachen im Vergleich zu komplexen Steuersystemen vorliegen, werde ich ihr hier keine weitere Beachtung schenken.

Kriterien für ein gutes Erbschaftssteuerkonzept

Im Folgenden beschreibe ich kurz, welche Kriterien auf die einzelnen Vorschläge des DIW angewandt werden können, um diese zu beschreiben und zu bewerten. Alle Kriterien lassen sich aus der DIW-Studie direkt ablesen. Auf wenig quantifizierbare Kriterien wie „Einfachheit“ werde ich in meiner Analyse verzichten, obgleich sie für die endgültige Entscheidung zugunsten eines Konzepts wichtig werden können.

Erwartete Einnahmen

Bei einer Steuer sind die erwarteten Einnahmen entscheidend. Steuerkonzepte mit hohen Einnahmen bieten nicht nur stärkere finanzielle Entlastungen für den Staat, sondern werten auch die Steuerungswirkung der von mir als wichtig erachteten Erbschaftssteuer aus. Da wir Grünen zur Bundestagswahl die Forderung der Aufkommensverdopplung propagiert haben, werde ich in meine exemplarischen Betrachtungen nur Konzepte einbeziehen, welche dieses Ziel erreichen. Grundsätzlich gilt: je höher die erwarteten Einnahmen, desto besser.

Anzahl Steuerpflichtige

Das DIW weist in seiner Studie auch die Anzahl der erwarteten Steuerpflichtigen je Konzept aus. Als Kennzahl ist sie jedoch zweischneidig. Auf der einen Seite bedeutet eine niedrige Anzahl an Steuerpflichtigen meistens, dass sich die Steuererhebung auf große Erbschaften beschränkt. Dann kann durch geringeren Verwaltungsaufwand ein großer Umverteilungseffekt erreicht werden. Des Weiteren sind weniger Menschen dazu geneigt, gegen die geplante Erbschaftssteuererhöhung vorzugehen, wenn sie nicht selbst betroffen sind. Auf der anderen Seite müssen die Besteuerten in einem System mit wenigen Steuerpflichtigen pro Kopf mehr bezahlen und haben einen zusätzlichen Grund für Widerstand. Da Personen, die große Erbschaften erwarten, meist ohnehin größere ökonomische Ressourcen haben, wirkt ihre Stimme durch Multiplikatoreffekte ungleich höher als die von Normalsteuerzahler*innen. Wie groß das Mobilisierungspotenzial der besteuerten Minderheit ist, kann jedoch nicht seriös abgeschätzt werden. Alles in Allem denke ich, dass die Anzahl der Steuerpflichtigen auf jeden Fall nicht deutlich erhöht werden sollte. Dies würde lediglich dem Argument „die Grünen wollen dem Mittelstand schaden“ Vorschub leisten und somit für die Reform kontraproduktiv sein.

Änderung der Zahlungsstruktur

Hierunter zähle ich nicht nur Veränderungen bezüglich der unterschiedlichen Besteuerung verschiedener Verwandtschaftsgrade, sondern auch eine Verschiebung der Einnahmen hin zu einer höheren Belastung der Betriebsvermögen. Erstere sollten von uns klar vorangebracht werden, um den oben beschriebenen Ungerechtigkeiten in diesem Bereich zu beseitigen. Allerdings sollte dabei beachtet werden, dass starke Verschiebungen starke Widerstände hervorrufen können und somit moderaten Veränderungen der Vorzug eingeräumt werden sollte. Zweitere sind in jedem Fall positiv zu bewerten, da Betriebsvermögen momentan viel zu gering besteuert sind. Dabei müssen wir darauf achten, insbesondere kleine Unternehmen nicht zu stark zu besteuern, sondern die Last durch große, leicht veräußerbare Unternehmen erbringen zu lassen. Eine Progression ist wünschenswert.

Erhebungskosten

Wie bei der Höhe der erwarteten Einnahmen erschließt sich bei den Erhebungskosten sofort, welche Werte als positiv anzusehen sind. Da Bürger*innen verständlicherweise möglichst viele sinnvolle öffentliche Projekte durch ihre Steuern verwirklicht sehen wollen, ist die Minimierung von Verwaltungskosten beim Staat wichtig. Auch die Kosten, welche die Besteuerten selbst tragen müssen, sollten so klein wie möglich gehalten werden. Fast alle vom DIW diskutierten Modelle würden Erhebungskosten reduzieren, weswegen sie ein Fortschritt zum status quo wären. Auch wenn es Unterschiede zwischen den einzelnen Vorschlägen bezüglich ihrer Kosten gibt, sollte dieser Punkt nicht überbewertet werden. Wenn etwa eine komplexe Progression dazu führt, dass die Steuer an sich gerechter wird, kann dies höhere Erhebungskosten durchaus rechtfertigen.

Vorschläge für ein neues Erbschaftsteuerrecht

Nach den theoretischen Vorüberlegungen komme ich nun zur Analyse des aktuellen Systems sowie 5 ausgewählter Modelle aus der DIW-Studie. Ich habe für die Analyse Modelle gewählt, die mir für eine weitere Programmdebatte diskussionswürdig erschienen oder die gute Aspekte enthalten.

Der Status Quo

Die momentane Erbschaftsteuer wird auf den Seiten 9-14 der DIW-Studie kurz beschrieben. Sie schafft nach der Studie ein Aufkommen von 4,1 Mrd.€, wird von 112.000 Steuerzahlenden aufgebracht und kostet ganze 4,5% an Verwaltungskosten in Bezug auf das Aufkommen (alle Daten aus s. 69-70). Strukturell lässt sich feststellen, dass Ehegatten/Lebenspartner*innen und Kinder nur in 4% der Erbanfälle belastet werden, während Erbschaften an Geschwister oder nicht bzw. entfernt Verwandte in mehr als jedem zweiten Fall zahlen müssen. Obwohl das Betriebsvermögen (im weiteren Sinne) 15% der Erbschaftserwerbe ausmacht, macht es nur 1% des Steueraufkommens aus. Auch Grundvermögen sind aufgrund der Regelungen zu selbstgenutzten oder vermieteten Wohnimmobilien (S.12) leicht privilegiert, während sonstige Vermögen überproportional in der Steuerlast berücksichtigt werden. Somit bestätigt die Analyse des Status Quo alle Kritikpunkte, welche häufig an diesen angebracht werden.

Modell 1: Einfaches Mittelmaß

Das erste vom DIW diskutierte Modell (S.71-73) gewährt einen hohen, aber noch moderaten persönlichen Freibetrag von 200.000€, einen moderaten flachen Steuersatz von 30%, keine Freibeträge für Betriebsvermögen, aber eine Begrenzung der Steuerlastquote für Unternehmen auf 15%. Betriebsvermögen werden mit einem Steueranteil von 17% überproportional herangezogen. Aufgrund der fehlenden Freibeträge, der flachen Steuersätze und der niedrigen Belastungsgrenze für Unternehmen besteht nur eine sehr begrenzte Progression. Das Aufkommen wird wie geplant verdoppelt (+96%), während sich die Anzahl der Steuerzahlenden (-48%) und die relativen Erhebungskosten (-68%) im Vergleich zu heute deutlich verringern. Besonders nahe Verwandte (Ehegatten/Lebenspartner*innen, Kinder, Enkel) werden durch das Modell stärker belastet, während entferntere Verwandte entlastet werden.
Modell 1 ist attraktiv, weil es wenige Menschen belastet, günstig in der Erhebung ist, aber trotzdem die gewünschte Einnahmesteigerung bringt. Negativ ist vor allem die fehlende Progression (insbesondere bei Betriebsvermögen).

Modell 4: Niedrige Flat-Tax

Im Modell 4 (S.80-83) wird ein niedriger persönlicher Freibetrag von 100.000€ gewährt, der Steuersatz liegt bei 25% und es gibt sowohl einen abschmelzenden Freibetrag von einer Million € für Betriebsvermögen, als auch eine Begrenzung der Steuerlastquote auf 20%. Das Betriebsvermögen wird somit proportional zum Erwerb (16% d. Steuern) herangezogen. Seine Besteuerung ist progressiver als im Modell 1 ausgestaltet. Das Aufkommen wird verdoppelt (+102%), während die Anzahl der Steuerzahlenden (-5%) ungefähr gleich bleibt und sich die Erhebungskosten (-55%) deutlich reduzieren. Die Verschiebungen bezüglich des Verwandheitsgrades ähneln denen in Modell 1.
Modell 4 ist attraktiv, weil es für Ottonormalerb*innen recht simpel zu verstehen ist und bei den Betriebsvermögen eine bessere Progression als Modell 1 sicherstellt. Negativ anzumerken ist die fehlende Progression bei nicht-Betriebsvermögen.

Modell 8: progressiv und betriebsschonend

Auch Modell 8 (S.92-94) enthält einen persönlichen Freibetrag von 100.000€. Im Gegensatz zum 4. Modell gibt es darin einen abschmelzenden Freibetrag von 2 Millionen € auf Betriebsvermögen und einen progressiven Steuertarif. Betriebsvermögen werden leicht unterproportional (12% d. Steuern) berücksichtigt, aber bis zur Maximalbelastung (15%) progressiv veranlagt. Das Steueraufkommen wird verdoppelt (+107%), während die Anzahl der Steuerzahlenden ungefähr gleich bleibt (-7%) und die Erhebungskosten deutlich sinken (-56%). Die Verschiebungen bezüglich des Verwandtheitsgrades ähneln denen der vorangegangenen Modelle.
Modell 8 ist attraktiv, weil es progressiv gestaltet ist und somit eine größere Umverteilungswirkung entfaltet. Leider wird dieser Vorteil durch eine niedrige maximale Steuerlastquote bei Betriebsvermögen konterkariert.

Modell 12: hohe Flat-Tax

Modell 12 (S.104-106) gewährt einen hohen persönlichen Freibetrag von 200.000€, einen niedrigen, abschmelzenden Freibetrag von 1 Million € für Betriebsvermögen (welches mit 14% d. Steuerlast proportional herangezogen wird) und eine Begrenzung der Steuerlastquote auf 20%. Der Steuersatz von 40% ist im Vergleich zu anderen Modellen hoch, weswegen auch die reduzierte Anzahl an Steuerzahlenden (-52%) eine im Vergleich zu den bisherigen Modellen höhere (+139%) Aufkommenserhöhung stemmen kann. Besonders positiv ist der stark reduzierte Erhebungsaufwand (-74%). Die Verschiebung der Belastung zuungunsten näherer Verwandter ist etwas deutlicher als in den vorigen Modellen.
Modell 12 zieht seine Attraktivität aus der hohen Aufkommenswirkung bei niedrigen Verwaltungskosten. Auch die Reduktion der Steuerpflichtigen ist positiv anzumerken. Negativ ist am Konzept primär, dass ein Steuersatz von 40% in der öffentlichen Debatte für scharfe Gegenkampagnen missbraucht werden kann und dass durch die Freibeträge nur eine begrenzte Progressionswirkung gewährleistet wird.

Modell 20: progressives Abzinsmodell

Modell 20 (S.128-130) bietet geringe persönliche Freibeträge von 100.000€ und einen progressiven Steuersatz. Bei Betriebsvermögen wird kein Freibetrag gewährt. Stattdessen ist im Rahmen eines Abzinsmodells die zinslose Stundung der Zahlungen der Betriebssteuerschuld über 10 Jahre erlaubt. Durch diese Regelung werden Betriebsvermögen stärker progressiv belastet als in anderen Modellen, ohne dass ein Liquiditätsproblem befürchtet werden muss. Das Steueraufkommen ist nominal das höchste der erwähnten Modelle (+168% zum status quo), allerdings kann es sich aufgrund der Stundungsregelung real insbesondere in Zeiten hoher Inflationsraten (die momentan jedoch nicht erwartbar sind) deutlich reduzieren. Die Zahl der Steuerzahlenden bleibt gleich (-1%), die Verwaltungskosten sinken deutlich (-66%). Strukturelle Verschiebungen bezüglich der Verwandtschaftsgrade ähneln denen aus Modell 12.
Modell 20 ist mein persönlicher Favorit. Es bietet eine starke Progression, die auch bei Betriebsvermögen wirkt, ohne dabei Liquiditätsprobleme zu erzeugen. Negativ anzumerken ist lediglich, dass das Abzinsmodell in der öffentlichen Debatte schwer zu erklären sein dürfte und seine Auswirkungen auf Liquiditätspräferenzen noch geklärt werden müssen.

Fazit

Eine Verdopplung des Erbschaftssteueraufkommens ist realpolitisch wie ökonomisch umsetzbar und in Anbetracht der steigenden Vermögensungleichheit in Deutschland dringend geboten. Wir Grüne haben nun verschiedenste Konzepte zur Auswahl, aus denen wir unser endgültiges Konzept erstellen können. Wenn wir dieses einfach, gerecht und progressiv ausgestalten, können wir das Thema politisch gut vorantreiben. Dabei sollte sich unser Vorschlag in Punkto der gerechten Einbeziehung von Betriebsvermögen und der Verwandschaftsunabhängigkeit von denen der politischen Konkurrenz abheben können und der Erbschaftssteuerdebatte neue Facetten hinzufügen.

Endnoten:
[1]: Für eine genauere Behandlung siehe: Richard Wilkinson and Kate Pickett, Gleichheit ist Glück: Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind. Berlin: Tolkemitt Verlag, 2009.
[2]: Dr. Reiner Braun, Ulrich Pfeiffer, and Lorenz Thomschke, “Erben in Deutschland: Volumen, Verteilung und Verwendung.” Deutsches Institut für Altersvorsorge, 2011.
[3]: vgl. S. 33-34 in Wissenschaftlicher Beirat des Bundesministeriums für Finanzen, “Die Begünstigung des Unternehmens­ vermögens in der Erbschaftsteuer.” Bundesministerium für Finanzen, 2012.
[4]: vgl. S. 79 in Jörg Dribeck, Erbschaftsteuer leicht gemacht. Berlin: Ewald von Kleist Verlag, 2009.

[5]: vgl. S. 30 (gleiche Literatur wie [3])